Talmi

Vitalisierend

Was du bist, bist du nur durch Verträge – und die existentiellsten Verträge sind und bleiben immer noch die Werbeverträge. Vitali Klitschko zum Beispiel ist ein Mensch, der praktisch nur mehr aus Werbung besteht. Seine Boxerkarriere verblasst völlig hinter seinem Image als kerniger Klischee-Slawe, der für Milchschnitte, Warsteiner und andere Ungenießbarkeiten in gebrochenem Deutsch Unsinn in die Kamera spricht. Auch seine neuere politische Karriere verdankt sich im Wesentlichen einem PR-Einfall der Adenauer-Stiftung, die wohl der Ansicht war, dass man in der Ukraine nur Erfolg hat, wenn man einen Profi­schläger an seiner Seite hat. Dass Frank-Walter Steinmeier sich mit ihm und seinen Kollegen von der antisemitischen Swoboda fotografieren ließ, ohne mit der Wimper zu zucken, zeigt, wie geschmeidig das Konzept aufgeht: Der Vitali, der ist doch unser Junge, den haben wir doch großgemacht, den haben wir gewissermaßen am Nasenring, höhö, und wenn die Nazis nicht parieren, dann nimmt der die in den Schwitzkasten, jawoll! Während die Bundesregierung ihren preisgekrönten Tanzbären auf alle Bühnen Kiews schickte, gab es hierzulande die passenden Fanartikel zum Staatsstreich. Pünktlich zur Krise lag in den Shops der Firma Tchibo das Klitschko-Fitness-Set, das unter anderem ein Springseil enthielt. Das Motto war klar: Wir machen uns fit für den Maidan und die EU-Austerität! Bedauerlicherweise hat Tchibo nun die Kampagne zurückgerufen, ganze Fernsehspots wurden in die Tonne getreten – zu heikel. Dabei wäre gerade eine Erweiterung der Produktpalette geboten: Timoschenkos Haarkranz als ­Pilates-Ring oder die Swoboda-Wolfsangel als Sit-up-Handicap hätten die Kampagne erst in Fahrt gebracht. Denn merke: The revolution will be merchandised!