Die Nasa beschäftigt sich mit Kapitalismus und Krise

Goodbye Kapitalismus

Einer von der Nasa finanzierten Studie zufolge macht es der Kapitalismus nicht mehr lange. Schuld sei der Klassenkampf von oben.

Die Geschichte ist eine Geschichte von Klassenkämpfen. Das sagt nicht nur das Kommunistische Manifest, sondern auch Safa Motesharrei von der University of Maryland in einer jüngst veröffentlichten Studie. In seiner vom Goddard Space Flight Center der Nasa finanzierten Analyse kommt der Mathematiker zu dem Schluss, dass der Klassenkampf von oben eine entscheidende Rolle beim Untergang antiker Zivilisationen spielte – und dass auch der Kapitalismus sehr bald den Weg von Römischem Reich & Co. gehen werde, wenn er so weitermacht wie bisher. Zu dieser Einschätzung kommen Motesharrei und sein interdisziplinäres Team, die untersuchten, welchen Einfluss Faktoren wie Bevölkerungswachstum, Klima, Wasser, Landwirtschaft und Energie auf den Zusammenbruch vergangener Hochkulturen hatten. Die Endlichkeit dieser Faktoren hatte schon der Club of Rome im Visier, als er 1972 erstmals die »Grenzen des Wachstums« auslotete; Motesharrei betrachtet allerdings noch eine weitere Variable: die Verteilung der Güter.

Zum Kollaps einer Gesellschaft komme es demnach mit größter Wahrscheinlichkeit dann, wenn die Ausplünderung der natürlichen Ressourcen mit einer Spaltung in »Eliten« und »Massen« oder commoners (»einfache Bürger«) zusammentreffe: Während die tatsächlichen Leistungsträger der Gesellschaft, also die commoners, bereits massenhaft am Mangel zugrunde gingen, weigerten sich die Eliten lange Zeit, diesen zur Kenntnis zu nehmen, und konsumierten weiter, als gäbe es kein Morgen. Das ging in der Vergangenheit nicht lange gut und auch für die Industriegesellschaft sind die Forscher alles andere als optimistisch. Für die Katastrophe müsse es noch nicht einmal zum ökologischen Desaster kommen; schon vorher könnte allein der Verlust an Arbeitskräften ausreichen, um den Planeten in ein Set für ein Remake von »Mad Max« zu verwandeln.
Nun sind Linke seit anderthalb Jahrhunderten an Meldungen über das baldige Ableben des Kapitalismus gewöhnt, und dass Forscher jetzt mit einem des Marxismus oder gar der Wertkritik gänzlich unverdächtigen Ansatz zum gleichen Schluss kommen, muss nicht heißen, dass sie recht haben. Schon die Prognosen des Stammvaters der Überbevölkerungstheorie, Thomas Malthus, wurden immer wieder durch den technischen Fortschritt widerlegt. Dem halten Motesharrei und seine Kollegen entgegen, neue Technologien könnten zwar zu einer effizienteren Rohstoffnutzung führen, dies werde ohne politische Eingriffe aber durch den insgesamt weiter steigenden Verbrauch der Begüterten mehr als kompensiert. Betrachtet man die Realität, beispielsweise den ungebremsten Klimawandel und die weltweite Umverteilung von unten nach oben, ist man wenig geneigt, den Forschern zu widersprechen.

Gänzlich resignieren wollen diese allerdings nicht: »Der Kollaps kann vermieden werden, wenn die Pro-Kopf-Rate der Naturausbeutung auf ein nachhaltiges Niveau gesenkt wird und die Ressourcen einigermaßen gerecht verteilt werden.« Das klingt allemal besser als die Ideen der Malthusi­aner, die unter dem Schlagwort »Bevölkerungsexplosion« Front gegen die Armen statt gegen die Armut machen – auch falls sich der Kapitalismus einmal mehr als zäher und anpassungsfähiger erweisen sollte, als es die Betrachtung der ökonomischen und politischen Weltlage vermuten lässt.
Wie jenes Ziel aber erreicht werden soll, verraten die Autoren nicht, den Sinn reiner Überzeugungsarbeit schätzen sie selbst sehr skeptisch ein. Marxisten wiederum wissen aus immer wieder enttäuschter Liebe, dass selbst die schönsten sozialdemokratischen Verbesserungsvorschläge im besten Fall nicht mehr sein können als Palliativmaßnahmen für das globale Menschheitsleiden, das die Mehrwertproduktion zum Zweck der Mehrwertproduktion darstellt. Die Devise »Kommunismus oder Barbarei« ist immer aktuell, und wer auf den Ausgang wetten will, sollte auf den Kommunismus setzen, denn da sind die Quoten am höchsten: Es gibt eine Welt zu gewinnen.