Talmi

Premiummüll

Früher muss es schöner gewesen sein, reich zu sein. In einer Welt jedoch, in der jede Penny-Filiale Tira­misu und Crémant bereithält, verschwimmen die Unterschiede des Oberschichtkonsums zu dem der Plebs. Verzehrte der Adel einst Giraffenhälse und Wachtelhintern, tütet man heute bei Rewe »Feine Welt«-Produkte ein und reist als »Bahn Comfort Kunde« – in denselben Stühlen wie alle anderen, aber mit jener Würde und Distinktion, die nur eine kleine Plastikkarte verleihen kann. Und die erste Klasse? Da hat man einen halben Meter mehr für die Beine, dafür aber dank Fami­lienrabatt Horden schreiender Kinder, deren Eltern in einer bizarren Parodie antiautoritärer Erziehung glauben, durch völligen Verzicht auf jede Intervention selbstbewusste Menschen heranzuziehen und nicht ein Rudel kleiner Arschlöcher, die genauso narzisstisch und verblendet sind wie ihre Erzeuger. Die Freude am Reichtum schwindet auch, wenn keiner mehr damit prunken kann. Wo schon die Vivil-Werbung mit Bildern der Revolution wirbt (»Willkommen in der vivilisierten Welt!«), zieht sich der Boss am besten gleich so an wie sein Angestellter – bevor der noch auf Ideen kommt! Dennoch, das Distinktionsbedürfnis bleibt, und so will man zwar konsumieren wie alle, aber doch bitte etwas teurer. So versorgt die Firma Heinz jene Kreise, deren Gehaltszettel schneller wächst als ihr Horizont, mit Premium-Ketchup, genauer: »Culinair Ketchup«. Ketchup, der urproletarische Geschmacksaufheller, der sogar Karton verzehrbar macht! Wie kommt man nur auf die Idee, daraus ein Premiumprodukt zu machen? Spritzt man es auf die Hochwert-Curry, auf die Luxusspaghetti? Und was signalisiert man damit der Jugend? Strengt euch immer tüchtig an, dann kriegt ihr Heinz Culinair und nicht bloß Hela-Ketchup auf die Pommes?