Eine Kampagne gegen die »geplante Obsoleszenz« 

Schrott mit System

Immer mehr Geräte werden wegen kleiner Defekte verschrottet, schließlich wollen die Hersteller Neuware verkaufen. Die Kampagne »Murks? Nein danke!« will über die geplante Obsoleszenz informieren.

Wer in diesen Tagen durch das Schaufenster der Berliner IG-Metall-Verwaltungsstelle blickt, könnte denken, dort habe ein Umsonstladen sein Domizil gefunden. Ausrangierte Computer sind aufgestapelt, daneben finden sich zahlreiche Schuhe, deren Sohlen deutlich abgetragen sind, oder eine Waschmaschine mit ausgebauter Trommel. Doch die Gegenstände werden nicht getauscht oder verschenkt, bis zum 2. April will vielmehr der »Murks-Showroom« über Methoden der geplanten Obsoleszenz informieren.

»Das ist der Oberbegriff für Strategien und Methoden der Hersteller und des Handels, die mögliche Lebensdauer eines Produktes zu verringern, um durch schnelleren Neukauf den Profit zu steigern«, sagt Stefan Schridde, der Initiator der Kampagne »Murks? Nein danke!«. Er nennt Beispiele, die vielen schon im Alltag begegnet sein dürften. Schuhe, deren abgetretene Sohlen sich nicht mehr ersetzen lassen, sind ebenso exemplarisch wie ein Staubsauger, der wegen einer kleinen Kohlebürste am Elektromotor nicht mehr funktioniert. Gerne führt Schridde auch die Druckerpatronen an, die nach 1 500 Seiten ihren Betrieb einstellen, nicht weil sie leer sind, sondern weil der Zähler auf diese Menge eingestellt ist.
Bei Werkstattgesprächen, die jeden Mittwoch im »Showroom« stattfinden, werden vom Publikum weitere Beispiele für geplante Obsoleszenz genannt. Mittlerweile finden sich im Ausstellungsraum auch Gegenstände, die vom Publikum herbeigeschafft wurden. Schridde ruft dazu auf, abgetretene Schuhe vorbeizubringen, aus denen ein Kunstwerk der geplanten Murks-Produktion werden soll. Der umtriebige Betriebswirt hat es in den vergangenen Jahren verstanden, das Thema stärker an die Öffentlichkeit zu bringen. Er spricht vor Handwerksinnungen ebenso wie bei Verbänden der Industrie. Für den »Showroom« hat Schridde eine Partnerschaft mit der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen geschlossen, um auch in Betrieben über die geplante Obsoleszenz aufzuklären und dort Alternativen zu entwickeln. »Denn der Murks liegt nicht an den Beschäftigten, sondern an einer ressourcenvernichtenden Marktlogik«, betont er. Da wäre der Schritt zu Karl Marx eigentlich nicht weit. Schließlich hat der schon festgehalten, dass im Kapitalismus nicht Gebrauchsgegenstände hergestellt werden, sondern Waren, die sich verwerten müssen. Diesem Zweck stehen langlebige Gegenstände stärker im Weg als Waren, die schnell wieder verschrottet werden müssen, nur weil der Boden eines Computers oder Radios so verlötet wurde, dass ein dort verborgenes defektes Teilchen nicht ausgetauscht werden kann. Schridde stellt die nicht unberechtigte Frage, ob das Eigentumsrecht an einer Ware überhaupt dem Käufer übergeben wurde, wenn er sie nicht selbst reparieren kann, sondern an eine von der Firma benannte Werkstatt schicken muss.
Eine Kritik der kapitalistischen Warenproduktion wird man bei Schriddes Werkstattgesprächen jedoch nicht hören. Auf dem Informationstisch im »Showroom« findent sich keine Hinweis zu Marx, dafür gibt es Flyer vom esoterischen »Zeitgeist-Movement«. Natürlich fehlen auch Hinweise auf die Arbeiten von Wolfgang Pohrt und Hans-Jürgen Krahl, die in den vergangenen 50 Jahren die Marx’sche Wertanalyse weiterentwickelt haben. So schrieb Krahl bereits vor einem Jahrzehnt: Menschliche Emanzipation sei »nur möglich über eine Denunziation der Dinge, des im Spätkapitalismus produzierten Schunds, in denen die Verhältnisse sich kristallisieren«.

Bei den Werkstattgesprächen wird hingegen die Frage diskutiert, ob deutsche Wertarbeit ein Mittel gegen Murks sein könne. Allerdings dürften nicht alle, die an der Kampagne »Murks? Nein danke!« beteiligt sind, so denken. Manche sehen in einer Regionalwirtschaft, in der die Produzenten noch bekannt sind, ein Mittel gegen Murks in der Produktion. So fügt sich die Kampagne in eine Szene ein, die mit Reparier- und Umsonstläden Symptome einer unvernünftigen Warenproduktion kurieren will, ohne die kapitalistischen Verwertungsinteressen grundlegend in Frage zu stellen.