Cuddlebike

Draußen tobt der Frühling. Wie ein Pollen-Tornado rast er durch die Städte, lässt Straßencafés aufplatzen, fegt mit Urgewalt wahre Fluten bleicher Menschenleiber aus ihren Wohnmaschinen. Der verwitterte hormonelle Apparat taut auf, und seltsam weiche, warme Gefühle rumpeln durch die Ganglien. Aber nicht nur die Menschen werden menschlicher, nein, die Dinge selbst fangen an, zärtlich zu fühlen. Wie etwa das »Cuddlebike«, das ein Erfinder aus Wiesenburg per E-Mail anpreist, eine Art Tandem mit nur einem Sitz: »Zwei Personen können sich während der Fahrt durch den engen Körperkontakt bequem unterhalten und ihre Eindrücke während der Fahrt austauschen. Das außergewöhnliche Design dieses ›Kuschelfahrrades‹ und die ungewöhnliche Form der Fortbewegung machen es zu dem Hingucker schlechthin.« Es gibt viele schlechte Menschen auf der Welt, aber die Fahrraddesigner gehören schon wirklich zu den gemeinsten: Sie haben uns vor Hochmut platzende Pädagogen in Liegefahrrädern geschenkt, sie haben grölende Betriebsausflügler auf gruppenkompatible Bierfahrräder gesetzt, und nun schicken sie dauerverklebte Pärchen zum Eindrücketausch auf die Spazierwege. »Besonders für Paare und ›frisch Verliebte‹ bietet das Cuddlebike (deutsch: Kuschelfahrrad) ein einzigartiges Fahrgefühl«, verspricht die Reklame, denn was gibt es Schöneres, als sich frisch verliebt aufs Rad zu setzen und zum Affen zu machen? »Stadtrundfahrten, Citytouren oder die Fahrt zum nächsten Kiosk werden durch das Cuddlebike zur Erlebnisfahrt«, heißt es da, und man hört schon die Dialoge in den vom Cuddlebike gestifteten Beziehungen: »Schatz, ich bin rasch zum Kiosk, Kippen kaufen!« – »Lass uns doch das Cuddlebike nehmen! So wird auch diese Fahrt zur Erlebnisfahrt, und wir können unsere Eindrücke über die Kippen austauschen!«