Unter den Jihadisten in Syrien sind viele Franzosen

French Connection

Unter den Jihadisten in Syrien gibt es zahlreiche Franzosen. Die französische Regierung hat nun Gegenmaßnahmen ­beschlossen.

Die Eltern des 30jährigen Nicolas Bons glaubten, er sei nach Thailand gereist. Doch im Januar dieses Jahres erhielt seine Familie in Toulouse die Benachrichtigung, er sei in Syrien gestorben, im Jihad. Im März vergangenen Jahres war er nach Syrien aufgebrochen, auch sein 22jähriger Bruder Jean-Daniel starb vor einigen Monaten dort als Jihadist.
Die Mutter der beiden Konvertiten, Dominique Bons, gründete daraufhin die Initiative »Syrien ne bouge agissons« (»Syrien – Wenn sich nichts bewegt, dann lasst uns etwas tun«). Am 9. April nahmen die Vereinsgründerin, andere Eltern und Betroffene an einer Protestkundgebung gegen die »Untätigkeit der Regierung« in Paris teil. Am vorvergangenen Wochenende kamen die Dinge allmählich in Fahrt. Am Ostersonntag trafen vier französische Journalisten, die zehn Monate lang von Jihadisten in Syrien als Geiseln festgehalten worden waren, in Paris ein. Edouard Elias, Didier François, Nicolas Henin und Pierre Torres berichteten nach ihrer Rückkehr: »Einige unsere Wächter sprachen fließend Französisch.« Es besteht, wie Außenminister Laurent Fabius Anfang vergangener Woche bestätigte, der starke Verdacht, dass sich unter den Geiselnehmern französische oder belgische Staatsbürger befanden.

Ungefähr 250 Belgier traten die Reise zum Jihad in Syrien an. Die Anzahl der Franzosen dort wird, je nach Quelle, auf 200 bis 700 beziffert. Insgesamt sollen derzeit rund zehn Prozent der Kombattanten auf syrischem Boden, die gegen das Ba’ath-Regime kämpfen, ausländische Jihadisten sein. Das International Centre for the Study of Radicalisation (ICSR) spricht von 3 000 bis 11 000 Kämpfern, darunter 70 Prozent aus arabischen Ländern und 18 Prozent aus EU-Staaten.
Durch die alarmierenden Meldungen unter Druck gesetzt, verkündete die französische Regierung am Mittwoch voriger Woche neue Maßnahmen. Diese waren bereits seit Januar unter dem damaligen Innen- und jetzigen Premierminister Manuel Valls ausgearbeitet worden. Sein Amtsnachfolger im Ministerium, Bernard Cazeneuve, kündigte unter insgesamt 20 Beschlüssen einen Gesetzentwurf an, demzufolge Eltern bei einem Verdacht auf jihadistische Indoktrination ihrer minderjährigen Kinder die Behörden warnen und eine richterliche Verfügung gegen ihre Ausreise erwirken können. Überdies sollen jihadistische Websites, auf denen oft der »Märtyrertod« in Syrien gepriesen wird, besser überwacht werden. 95 Prozent der angehenden Jihadisten sollen sich über das Internet radikalisiert haben. Psychologinnen, Mitarbeiter im Schulwesen und andere Betreuer sollen eingesetzt werden, wenn die Eltern eine Hotline anrufen, die für die Meldung von sektenhafter und jihadistischer Indoktrination eingerichtet wurde.
In dieser Woche trifft Cazeneuve in London mit seinen belgischen, deutschen und britischen Amtskollegen zusammen und tauscht Erfahrungen aus. In Großbritannien gibt es seit 2013 das Programm »Do it, but do it right«. Es wird nicht versucht, die Reise von Aspiranten nach Syrien zu verhindern. Vielmehr werden diese darin unterstützt, in das Land zu reisen. Allerdings nicht, um Jihadisten zu unterstützen, sondern Kriegsopfer betreuende NGOs, zu denen die britischen Behörden Kontakte unterhalten.

Französische Rechtsextreme hingegen würden die Gelegenheit gerne nutzen, um unerwünschte Bürger loszuwerden. Der Anwalt Gilbert Collard, ein Abgeordneter des Front National (FN) in der Nationalversammlung, will nach Syrien Ausgereiste an der Rückkehr nach Frankreich hindern, und der stellvertretende Vorsitzende seiner Partei, Florian Philippot, will ihnen die französische Staatsbürgerschaft entziehen, selbst wenn die Betreffenden ihre Reise später bereuen. Dominique Bons hingegen meint, die derzeitigen Regierungspläne seien zu sehr auf die Tätigkeit von Überwachungs- und Repressionsorganen konzentriert. Ähnlich jenen, die sich Sekten ­anschließen, seien die jungen Leute oftmals »auch selbst Opfer«.