Fußball­feld­forschung

Rund wie die Welt

Bücher vor der WM in Brasilien: Ein Sammelband erklärt, warum ohne Fußball auch Südamerika nicht zu verstehen ist.

Wie man etwas andere Anerkennung im Fußball finden kann, lassen die Herausgeber dieses Bandes über »Widerstand und Utopie« gleich am Anfang den brasilianischen Schriftsteller Luiz Ruffato erklären: Als nicht eben ballbegabter Junge dichtete er Fangesänge – nur so konnte er mitwirken an dem Projekt, das seiner Jugend Sinn gab. Thomas Fatheuer hat einen Essay beigesteuert, »Brasilien vom Fußball aus denken«. Selten habe ich Intelligenteres und Gebildeteres zum Thema gelesen als in diesem wunderbaren Text. Stets nimmt Fatheuer beide Perspektiven ein: Wie Fußball als Herrschaftsinstrument benutzt wird und wie er zugleich für gesellschaftliche Emanzipation steht. Fatheuer erklärt, warum Fußballer, die sozial engagiert sind und linke Positionen vertreten, zum brasilianischen Fußball gehören müssen, und wie sich der gesellschaftliche Widerspruch auch in »futebol de resuldados« versus »futebol-arte« ausdrückt. In einem zweiten Beitrag stellt ­Fatheuer vier Rebellen des brasilianischen Fußballs vor: Sócrates, Afonsinho, Reinaldo und Paulo Cézar Cima.
Im Rückblick werden die Weltmeisterschaften in Deutschland 2006 und Südafrika 2010 behandelt und dargestellt, wie mit ihnen demokratische Rechte eingeschränkt wurden. Ein Ausblick auf 2018 in Russland und natürlich Brasilien 2014 zeigt, wie sich der Weltverband Fifa in die Position bringen konnte, seine Geschäftsinteressen durchzusetzen – und wer noch etwas davon hat: Baufirmen, Rüstungsindustrie und all die, die sich an einem halbwegs vertretbaren Lohnniveau stören. Der Band behandelt auch den Widerstand in Brasilien, er bietet sehr viel Hintergründiges zu den Juni-Protesten 2013 während des Confed-Cup. Immer wieder kommen brasilianische Intellektuelle zu Wort, die lebensklug begründen, warum sie wissen, wie schlimm Fußball ist, und warum sie ihn dennoch lieben.
Gerhard Dilger/Thomas Fatheuer/Christian Russau/Stefan Thimmel (Hg.): Fußball in Brasilien: Widerstand und Utopie. Von Mythen und Helden, von Massenkultur und Protest. VSA, Hamburg 2014, 240 Seiten, 16,80 Euro