Notizen aus Neuschwabenland. Teil 2

Ausfallend auffällig

Diese Kolumne berichtet über das Milieu der »Neuen Rechten«. Teil 2: Spektakel und Skandalinszenierung.

Das Spektakel wird allmählich zur Gewohnheit. Irgendwer unternimmt einen Großangriff auf die »Political Correctness« und rechtsaußen wird der Schaden umgehend als Eigenleistung reklamiert. Der Bonner Krimiautor Akif Pirinçci hat sich mit seiner Suada »Deutschland von Sinnen« nicht nur an die Spitzen der Amazon-Verkaufsstatistik, sondern gleich ins Zentrum des »rechtsintellektuellen« Diskurses geschossen. Wobei »intellektuell« hier schon eine falsche Bezeichnung ist, denn die Pirinçci-Fassung vom Untergang des Abendlandes ist eher handfester Natur, Bushido für PI-Leser. Nach Thilo Sarrazins Selbstdarstellung als Partisan des Mainstream und Sibylle Lewitscharoffs Büchner-Preis-Gepöbel für »natürliche Empfängnis« tobte ein Katzenkrimiautor mit Tourette-Syndrom durchs Feuilleton. Die Abfolge der Events wird immer kürzer, ihr Inhalt immer grotesker und das Vorgehen immer kalkulierter. Lewitscharoff etwa inszenierte ihren »Skandal«, mitsamt anschließender Zerknirschung, um ihren Namen kurz vor Erscheinen ihres neuen Buches in die Schlagzeilen zu bringen. Einmal mehr zeigt sich diese »Neue Rechte« in ihrem Kampf gegen den von ihr diagnostizierten kulturellen Zerfall selbst als dessen Symptom. Die Verblödung, die dem Schamverlust in der Gesellschaft des Spektakels unweigerlich folgt, hat sie längst selbst ereilt.
Anlässlich der Ausfälle Pirinçcis hat Richard Geb­hardt auf Zeit online ein lesenswertes Panorama der »intellektuelle Rechten in Deutschland« entworfen. Da die derzeitigen Heroen dieses Denkens eben keine Absolventen ihrer Kaderschmieden sind, sondern Verfallsprodukte der bürgerlichen Mitte, ist sein Befund eindeutig: »Die Rechte ist gegenwärtig nicht die Avantgarde, sondern die Nachhut.« Wie sehr er den Kern der Sache getroffen hat, zeigten die wütenden Repliken, in allen Leitmedien des Milieus. Allerdings ist inzwischen nicht mehr auszuschließen, dass solch ein »Skandal« tatsächlich einmal direkt der »Neuen Rechten« zugute kommt. Der nächste Kandidat wartet schon. Götz Kubitschek, der Geschäftsführer des Verlags Antaios, macht gerade viel Gewese um den Roman »Hirnhunde«, der in seinem Haus erscheint. Der Plot wird als eine Romeo-und-Julia-Romanze zwischen einem neurechten Nachwuchsjournalisten und einer linken Aktivistin beschrieben. Der Autor nennt sich Raoul Thalheim. Allerdings, so raunt der Verleger, verberge sich hinter dem Pseudonym ein »bekannter Schriftsteller«, von dem diese weltanschauliche Nähe zur Rechten nicht zu erwarten gewesen sei. Oder auch nur eine Marketingstrategie.
Wenn nichts mehr läuft, so scheint es sich im Kulturbetrieb herumzusprechen, musst du nur ein wenig faschistoiden Kram von dir geben und schon stehst du wieder im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Felix Menzel von der neurechten Schülerzeitung Blaue Narzisse hat den Mechanismus der »Skandalokratie« vor einiger Zeit für Kubitscheks Hauszeitschrift Sezession zusammengefasst: »Wenn man nichts zu verlieren hat und zudem noch ein dickes Fell besitzt, kann man einen Skandal provozieren, weil nur über ihn heutzutage noch neue Themen ansprechbar sind.« Nun versucht man sich eben gemäß dieser Erkenntnis zu verhalten – ein halbes Jahrhundert nachdem die Apo-Kultur dieses Spiel von links gespielt und auf sämtliche Tische geschissen hat. Zu diesem Konzept passt auch Putin als Verbündeter, mit dem man nun die »eigene Kultur« gegen die »westliche Dekadenz« zu schützen gedenkt. Menzel hat inzwischen ein neues Konzept für den »Zwischentag« (Jungle World 41/2013) vorgelegt. Dieses Treffen ultrarechter Verlage, Publizisten, Künstler, Burschenschaften und Organisationen fand bisher jährlich in Berlin statt, nun wird es dezentralisiert. Die Berliner Messe soll nur noch alle zwei Jahre abgehalten werden, dazwischen will man mit zwei kleineren Veranstaltungen die verbleibenden Ballungsgebiete frequentieren. Als erstes steht »im Spätsommer« Nordrhein-Westfalen auf dem Programm. Vielleicht kommt ja Pirinçci.