Die Union drängt auf eine Verschärfung des Asylrechts

Deutsche Willkommenskultur

Statt der im Koalitionsvertrag vorgesehenen Bleiberechtsregelung hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) ein Regelkonvolut zur Inhaftierung, Abschiebung und Entrechtung von Flüchtlingen vorgelegt. Die Union drängt damit auf eine drastische Verschärfung des Asylrechts. Widerstand seitens der SPD hat sie kaum zu befürchten.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) tut so, als wüsste er nicht, was die Aufregung soll. Ein »ausgewogenes Paket« habe sein Haus mit dem jüngsten asylpolitischen Gesetzentwurf vorgelegt. Dessen Ziel sei bloß, was der Koalitionsvertrag verspricht: ein Bleiberecht und damit eine Aufenthaltsperspektive für Tausende langjährig in Deutschland nur geduldete Menschen. Doch um die Zustimmung der Bevölkerung zur Aufnahme schutzbedürftiger Flüchtlinge zu erhalten, argumentiert der Minister im ARD-Morgenmagazin, müsse die Bundesregierung dafür sorgen, dass schnell abgeschoben werden könne, »wer nur kommt, um Sozialleistungen zu bekommen, wer hier Straftaten begeht, wer Hassprediger ist und Extremist«. Verwunderlich, dass de Maizière die Chance versäumte, Flüchtlinge mit Terroristen in Verbindung zu bringen. So kommt sie daher, die gediegene Hetze der Union.
CDU-Innenpolitiker Thomas Strobl behauptet gegenüber der Welt, die geplante Novellierung der »Aufenthaltsbeendigung« mache Platz für die Aufnahme weiterer Flüchtlinge aus Syrien. Im Klartext: Roma raus, Syrer rein. Ein Vorhaben, das die Bundesregierung schon mit einem anderen Gesetzesvorhaben vorantreibt: Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina will die Große Koalition zu »sicheren Herkunftsstaaten« erklären.

Geht es nach dem Wunsch der Union, kommen noch Albanien und Montenegro auf die Liste der Staaten, in die Asylsuchende künftig schneller abgeschoben werden können. Allesamt sind das Staaten, aus denen fast nur Roma und Angehörige anderer Minderheiten fliehen. Dass zahlreiche Menschenrechtsberichte von Nichtregierungsorganisationen darauf hinweisen, dass es nicht schlicht Armut ist, die die Betroffenen in die Flucht treibt, sondern umfassende rassistische Diskriminierung, die im Asylverfahren durchaus Berücksichtigung finden müsste, lässt sich dank antiziganistischer Stereotype problemlos ausblenden: Die Roma sind halt arm, weil sie arm sind. Und rumfahren tun die ja immer – natürlich dahin, wo das Leben am lustigsten ist.

Beim neuen Gesetzentwurf »zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung« geht es allerdings nicht nur darum, Roma aus den regulären Asylverfahren zu drängen. Analysen von Pro Asyl lassen vermuten, dass die geplante, rechtlich äußerst kompliziert gestaltete Neuregelung dazu führt, dass künftig ein Großteil der Flüchtlinge, die in Deutschland stranden, inhaftiert werden können. Wer eine Grenzkontrolle umgangen, seine Identität falsch angegeben, Identitäts- und Reisedokumente vernichtet, eindeutig unstimmige oder falsche Angaben zum Reiseweg gemacht oder einen EU-Mitgliedstaat während seines dort laufenden Asylverfahrens verlassen hat, soll künftig inhaftiert werden – aufgrund angeblich drohender »erheblichen Fluchtgefahr«.
Tatsächlich gibt es kaum Flüchtlinge in Deutschland, denen sich solche »Fluchtgefahr« nicht unterstellen ließe. Syrische Flüchtlinge, die etwa in Bulgarien landen und dort ins Asylverfahren kommen, haben beste Gründe, trotz ihres laufenden Verfahrens vor dem bulgarischen Flüchtlingselend etwa nach Deutschland weiterzufliehen. Schutzsuchende, etwa aus Eritrea, die über Lampedusa in die EU einreisen, aber statt obdachlos in Rom lieber in Sicherheit bei Verwandten in Frankfurt leben wollen, müssen den Behörden ihren Reiseweg verheimlichen, wollen sie nicht nach Italien abgeschoben werden. Gute Gründe, falsche Angaben zu machen oder ohne Papiere unterwegs zu sein, haben Flüchtlinge fast immer. Im System der EU-Dublin-Verordnung, die vorsieht, dass derjenige EU-Staat für einen Flüchtling verantwortlich ist, der seine Einreise nicht verhindert hat, gilt das ganz besonders. Doch die geplante Bleiberechtsregelung droht nicht nur nebenbei, die Abschiebungsknäste zu füllen. Sie ist eigentlich gar keine Bleiberechtsregelung mehr. Durch eine Vielzahl von Ausschlussgründen wird einem großen Teil derjenigen, die als Geduldete in Deutschland leben, das Recht auf eine sichere Lebensperspektive systematisch verwehrt. Künftig sollen etwa Asylsuchende vom Bleiberecht ausgeschlossen werden, wenn ein »öffentliches Ausweisungsinteresse« gegeben ist. Etwa wegen einer Verurteilung aufgrund einer vorsätzlichen Straftat. Dazu reicht eine Geldstrafe wegen Schwarzfahrens.

Noch gravierender ist, dass künftig gegenüber Personen, die einmal ihrer Ausreisepflicht nicht fristgerecht nachgekommen sind, ein »Einreise- und Aufenthaltsverbot« ausgesprochen werden soll, was sie vom Bleiberecht kategorisch ausschließt: den abgelehnten Asylsuchenden aus dem Irak etwa, der sich weigert, in den Irak auszureisen, der aber auch nicht abgeschoben werden kann. Die Kosovarin, die schon längst als ausreisepflichtig gilt, aufgrund ihrer schweren Krankheit aber nicht »abschiebefähig« ist. Die tschetschenische Familie, die aufgrund ihres schwerbehinderten Kindes hier geduldet wird. Für sie alle käme das Bleiberecht aus dem Hause de Maizière kaum in Frage. Dazu formuliert der Gesetzentwurf eine weitere, rechtlich wie rhetorisch höchst interessante Konstruktion: Wird ein Asylantrag als »unzulässig, unbeachtlich oder offensichtlich unbegründet« abgelehnt, soll künftig rechtlich automatisch unterstellt werden, der Zweck der Flucht sei kein anderer gewesen, als hier Sozialleistungen abzugreifen. Flieht jemand etwa vor politischer Verfolgung aus dem Iran oder dem Krieg in Syrien über einen anderen EU-Staat nach Deutschland, dann wird künftig dessen Asylantrag nicht nur als »unzulässig« abgelehnt, weil Deutschland sich für seinen Fall nicht zuständig sieht – nein: Dem Antragsteller wird qua Gesetz unterstellt, seine Flucht ziele einzig und allein darauf, hier Leistungen nach dem »Asylbewerberleistungsgesetz« zu schnorren. Die Strafe: Arbeitsverbot und durch Sanktionen geminderte Sozialleistungen nach dem »Asylbewerberleistungsgesetz«, also ein Leben weit unter dem Existenzminimum. Das ist der Kampf gegen die »Zuwanderung in deutsche Sozialsysteme bis zur letzten Patrone«, wie ihn Horst Seehofer (CSU) geifernd versprach – von Minister de Maizère besonnen verpackt in einem »ausgewogenen Paket«. Die SPD hat Widerstand gegen den Gesetzentwurf angekündigt. Freilich, schon diese Formulierung entbehrt nicht ganz der Komik. In der Asylpolitik treibt die Union die SPD seit März vor sich her, indem das Bundesinnenministerium in die im Koalitionsvertrag verabredete Liste der drei neuen, angeblich »sicheren Herkunftsländer« Serbien, Mazedonien und Bosnien-Hwerzegowina noch flux Albanien und Montenegro mit hineinmogelte. Der nun vorgelegte Entwurf zum »Bleiberecht« wiederholt das Spiel: Wieder wird die SPD vor fast vollendete Tatsachen gestellt. Die Union hat damit üppig Verhandlungsmasse. Dass die Taktik aufgehen könnte, liegt aber nicht nur am Geschick der Union. Große Teile der Sozialdemokratie – etwa sozialdemokratische Landesinnenministerien – dürften ohnehin die asylpolitische Intention ihres Koalitionspartners teilen: dem Anstieg der Flüchtlingszahlen mit erbarmungsloser Abschreckungspolitik zu begegnen.