Bücher vor der WM in Brasilien

Drei Farben Stolz

Bücher vor der WM in Brasilien: Michael Ebmeyer sucht Stolz und findet nichts Schlimmes.

Was ist über den leider auch diesmal wieder anstehenden Schwarz-Rot-Gold-Kult zu sagen, wenn sich dezidierte Nazis von der so beworbenen DFB-Elf abwenden, weil Spieler darunter sind, die ein Völkischer nicht als Deutsche anerkennt? Was ist gegen eine vor dem Fenster baumelnde Flagge zu sagen, wenn ein arabischer oder türkischer Einwanderer sie dort hingehängt hat – und womöglich noch einen Halbmond draufgemalt hat? Wirkt im antinationalen Affekt nicht ein, wie Michael Ebmeyer schreibt, »routinierter Alarmismus«? Und gibt es nicht, wenn über Fußball und Nationalismus geredet wird, einen bildungsbürgerlichen, elitären und die Proleten verachtenden Dünkel?
Ebmeyer nähert sich der Antwort, wie es sich für einen guten Essay gehört, im Zickzack-Kurs: Er denkt über Nationen nach, über Stolz, über seine Herkunft aus Bielefeld und über die mitunter sehr spezielle Bedeutung des Fußballs. Sein Ergebnis lautet, in den vergangenen Jahren sei etwas entstanden, das man »Stolz der Offenheit« nennen könnte – nichts Nationalistisches, nichts Gefährliches, nichts auf die deutsche Geschichte Rekurrierendes.
Hm. Muss man den richtigen Befund, dass nicht jeder, der mit DFB-Trikot oder schwarz-rot-goldener Schminke im Gesicht herumläuft, ein Rechtsextremist ist, unbedingt dergestalt wenden? Ist nicht vielmehr die Beobachtung treffend, dass sich in den vergangenen Jahren – spätestens seit der als »Sommermärchen« glorifizierten WM 2006 – eine Art modernisierter, in die Mitte gerückter, normal gewordener Nationalismus artikuliert? Ebmeyer würde widersprechen. Deutschland sei nicht nach rechts gedriftet, konstatiert er. Und wenn ein Gefühl für dieses Land »entgegen aller historischen Erfahrung eine antireaktionäre Richtung nehmen« könne, dann nur durch Fußball.
Hm. Hm. Der vorliegende Essay behandelt eine interessante Frage. Will ich Ebmeyers Büchlein loben, formuliere ich: Es regt zum Nachdenken an. Würdige ich es hingegen ernsthaft, bleibt der Verdacht, dass hier jemand über seinen eigenen Friedensschluss mit der Nation berichtet. Beides stimmt: Eine Lektüre des Buches lohnt sich, und ihm ist dringend zu widersprechen.
Michael Ebmeyer: Das Spiel mit Schwarz-Rot-Gold. Über Fußball und Flaggenfieber. Verlag Kein & Aber, Zürich 2014, 64 Seiten, 7,90 Euro