Volk und Demos

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Es gibt ja Demonstrationen, da wird ein wahnsinniges Gewese drum gemacht, und dann gibt es solche, von denen kaum jemand etwas mitbekommt. Am Samstag fand eine Demo in Köln statt, Motto: »Biker gegen Intoleranz im Straßenverkehr«. Doch nur, wer den Motorradkorso selbst vorbeifahren gesehen hat, wird von ihm erfahren haben. Wobei auch dann vermutlich das hochpolitische Anliegen kaum vermittelt worden sein dürfte, denn Transparente lassen sich auf Zweirädern nur schwerlich mitführen. Die meisten Kölner werden den Zusammenbruch des Straßenverkehrs nicht einmal mit den Bikern in Verbindung gebracht haben, sondern mit den Großdemonstrationen für und gegen Erdoğan. Die ebenfalls zur gleichen Zeit in Köln stattfindenden Demonstrationen »Für sauberen Fußball und Gerechtigkeit«, »Solidarität mit palästinensischen Gefangenen« und das »Occupy«-Protestcamp am Rhein, hatten angesichts dieser Konkurrenz natürlich schlechte Karten im Wettbewerb um die Öffentlichkeit.
In Berlin gibt es regelmäßig »Lärmdemos« (gegen Gentrifizierung) und Antilärmdemos (gegen bestimmte Flugrouten). Letzteres ist ein wenig bizarr, weil der einzige Lärm, den der neue Flughafen BER in Schönefeld bisher macht, im Summen der Bienchen über der Baustelle besteht. Das wird wohl auch noch eine Weile so bleiben. Sehr zum Ärger der Anwohner des anderen, noch in Betrieb befindlichen Flughafens, dem in Tegel. Die demonstrieren regelmäßig für dessen schnellstmögliche Schließung und den Umzug des Lärms nach Schönefeld. Zum Glück befinden sich die beiden Airports am entgegengesetzten Ende der Stadt, so dass es noch zu keinen gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den rivalisierenden Anwohnern gekommen ist.
Bei derart vielen divergierenden Interessen ist es doch toll, dass es noch Demonstrationen gibt, zu denen wirklich jeder hingehen kann. Für Frieden und gegen die Bösen, wer wäre das nicht?! Sicher, beides ist weit auslegbar. Doch wenn verpeilte Eso-Spinner, die Zeilen zusammenreimen wie: »Wir und alles andere ist 100 % Licht und Liebe! :-) Es ist alles Gott! :-) Eben auch Adolf Hitler! :-) Er hat uns und allen anderen Menschen eben nur auf seine Art geholfen, aufzuwachen! :-)«, auf der Münchner Montagsdemo reden, beruhigen uns Diether Dehm und Wolfgang Gehrcke von der Linkspartei gleich wieder: »Wir teilen die Einschätzung nicht, dass es sich bei den Montagsmahnwachen und ihren Teilnehmern im Kern um eine (neu-) rechte Bewegung handelt.« Allerdings gibt es auch unter Aluhüten Streit. Der zitierte Licht-Guru macht jetzt seine eigene »Mittwochsdemo« in München. Dienstags- Donnerstags- und Freitagsdemos könnten folgen, jeden Tag eine andere Volksfront. Schade nur, dass sie sich so nicht über den Weg laufen und gegenseitig den Krieg, nein pardon, den Frieden erklären können.