Talmi

3-Doppel-D

In der Liebe, schreibt Nietzsche irgendwo, ist es von Vorteil, über eine gewisse Kurzsichtigkeit zu verfügen, und wie mit der Liebe ist es auch mit dem Kino: Es gibt praktisch kein Augenleiden, dass einem die Zumutungen modernen Filmschaffens nicht versüßt. Mit einem hübschen Strabismus zum Beispiel bekommt man diese ganzen albernen 3D-Effekte, die einem seit Jahren in die Linse gestrahlt werden, erst gar nicht mit. Der Blickgesunde hingegen ist dankbar für jene Internetseite eines Frankfurter Hackers, die ihm zeigt, wie er aus einer 3D-Brille eine 2D-Brille basteln kann, die die plumpen Tiefeneffekte astrein wieder wegretuschiert.
Die Beliebtheit des 3D-Effekts ist ebenso ungebrochen wie seine technische Stagnation: Er will und will einfach nicht besser werden. Magneto und die X-Men wirken immer noch wie bemalte Kartons, die vor anderen Kartons hin- und hergeschoben werden, und ein Film wie »Gravity« muss sich ganz der Überwältigungsästhetik hingeben, muss Millionen Tonnen Weltraumschrott durchs All schießen, damit der Zuschauer auch nur ein kleines Kribbeln im Rückenmark erlebt.
Typisch auch, dass diese Technik nur aufs allerkonventionellste eingesetzt wird: Was für psychedelische Sinnestäuschungen und eschereske Zwischenwelten ließen sich damit erzeugen, welch krasse Drogen- und Wahnsinnsszenen erleben, und wie wenig wird damit ­experimentiert! Doch weil die Illusion so schal ist, wird das Experimentelle seit neuestem behauptet, die Illusion mit Zu­satz­illusionen aufgehübscht: Laut Verleih ist der neue »X-Men« »in futuristischem 3D« gehalten, »Rio 2« hingegen »in exotischem 3D«, so dass zu den drei ­illusionären Dimensionen eine vierte hinzukommt – und »Der Untergang 2« 2015 wohl »in faschistischem 3D« gezeigt wird.