Die neue Imagekampagne des BND

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Der deutsche Auslandsgeheimdienst BND versucht, sich als sauberen Gegenspieler der NSA darzustellen – zu Unrecht.

»Ionosphäreninstitut«, so lautete bis dato der offizielle Name einer mysteriösen Anlage im badischen Rheinhausen. Riesige Parabolantennen und die großen weißen Bälle, sogenannte Radoms, die dort umgeben von Zäunen und Warnschildern mit der Aufschrift »Achtung! – Militärischer Schutzbereich« auf den Feldern stehen, haben vor Ort schon lange Zeit für Spekulationen gesorgt. Seit vergangenem Freitag heißt die Anlage nun auch offiziell »BND-Station«. Im Rahmen seiner »Transparenzoffensive« hat der Bundesnachrichtendienst (BND) in der vorigen Woche medienwirksam insgesamt sechs Standorte und Abhöranlagen, die bisher mehr oder weniger geheim waren, offen gekennzeichnet. Ziel sei es, »das Vertrauen der Bevölkerung in die Tätigkeit des Bundesnachrichtendienstes weiter zu stärken«, so der Präsident des BND, Gerhard Schindler. Bereits im Dezember hatte Schindler angesichts der Überwachungsskandale »falsche Vorstellungen« und ein grundsätzliches Misstrauen der Bevölkerung gegenüber seiner Behörde beklagt. Der BND sehe sich hingegen selbst als »moderner Dienstleister«, der den politischen Entscheidungsträgern Hintergrundinformationen liefere.

Der Zeitpunkt für die Kampagne ist gut gewählt. Denn dieser Tage berichten die Medien anlässlich des ersten Jahrestags der Enthüllungen von Edward Snowden erneut ausführlich über die Abhörpraxis der US-amerikanischen und britischen Geheimdienste NSA und GCHQ. Vor einem Jahr hatte sich der Whistleblower Snowden von Hawaii nach Hongkong abgesetzt, von wo aus der bisher größte Geheimdienstskandal seinen Lauf nahm und die flächendeckende Überwachung der globalen digitalen Kommunikation bekannt wurde. Seit den Enthüllungen sind große Teile der Bevölkerung zu Recht verunsichert. Der BND will sich daher nun als der rechtsstaatliche Gegenpart seines US-amerikanischen Konkurrenten inszenieren. Dies scheint umso wichtiger, da die Rufe nach Schutz vor Überwachung durch den deutschen Staat bisher ins Leere gelaufen sind und der politische Umgang mit dem Abhörskandal eher das Gefühl der Ohnmacht verstärkt.
So beginnt statt des ursprünglich geplanten No-Spy-Abkommens zwischen Deutschland und den USA Ende dieses Monats nun ein Cyber-Dialog, der eher danach klingt, als wollten beide Staaten ihre Überwachungsstrukturen besser aufeinander abstimmen, als nach einem Versuch, die Grundrechte der Bürger und Bürgerinnen zu schützen. In einem offenen Brief kritisierten vergangene Woche verschiedene zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter »Reporter ohne Grenzen«, Amnesty International sowie der Deutsche Journalistenverband, die geplanten Gespräche und forderten, den Schutz der Grundrechte, insbesondere von Journalisten, Anwälten sowie Menschenrechtsorganisationen, stärker in den Fokus zu rücken.
Aus der anfänglichen Empörung der Bundesregierung ist eine Strategiediskussion darüber entstanden, wie man Deutschland im digitalen Wettrüsten am besten in Stellung bringen kann. Der BND hat da bereits einige Ideen. Verschiedene deutsche Medien, darunter die Süddeutsche Zeitung, berichteten Ende Mai mit Bezug auf vertrauliche Unterlagen, dass der BND im Rahmen einer »Strategischen Initiative Technik« (SIT) zukünftig »in Echtzeit« die sogenannten sozialen Netzwerke überwachen möchte. 300 Millionen Euro soll der Bundestag dafür bewilligen. Naturgemäß wollte niemand diese Informationen offiziell bestätigen. Jedoch machte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) deutlich, dass er hinter dem Vorhaben stehe: »Wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, warum soll dann nicht ein Dienst auch auf diese Dienste zugreifen dürfen?« Dabei hatte de Maizière selbst noch Anfang April der USA »maßloses« Handeln vorgeworfen.
Sein Parteifreund und CDU-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, Roderich Kiesewetter, betonte zum selben Anlass, dass es terroristische Gefahren gebe, »die sich nicht über das Lesen von Zeitungen aufklären und verhindern lassen«. Zudem müsse man »auf Augenhöhe« mit den anderen Geheimdiensten sein. Ähnliches verlautete aus BND-Kreisen: Die NSA-Affäre habe gezeigt, dass Deutschland im technischen Bereich aufholen müsse, um auch zukünftig gleichwertige Informationen mit anderen Diensten austauschen zu können. Die neuen BND-Programme orientieren sich so in vielen Punkten auch gleich an der angelsächsischen Konkurrenz, unter anderem an der viel kritisierten Taktik der NSA, massenhaft Verbindungsdaten auszuspähen. Wie schon die NSA stellt der BND dies zugleich als Schutz der Privatsphäre dar: schließlich würden nicht konkrete Inhalte, sondern zunächst nur gewisse Merkmale wie Betreffzeilen überprüft.

Die Kritik an den digitalen Aufrüstungsplänen ließ nicht lange auf sich warten: »BND will Mini-NSA werden«, schrieb die Taz und die Opposition warnte vor einer »deutschen NSA«. Der Vergleich mit der Praktik der NSA, deren Überwachungs­tätigkeit Ausmaße erreicht hat, die schon mal die menschliche Vorstellungskraft übersteigen können, wirkt als abschreckendes Beispiel und dominiert daher vielerorts die Kritik an Überwachungsmaßnahmen made in Germany. Diese Taktik impliziert jedoch, dass der BND das rechtsstaatliche Pendant des good old Europe zum ausgeuferten und rechtswidrigen US-Überwachungswahn sei. Eine Ansicht, die bekannte antiamerikanische Ressentiments anspricht, aber kaum der Realität standhält. Zwar kann der BND mit seinen rund 6 500 Mitarbeitenden und einem Jahresbudget von 500 Millionen Euro nur schwer mit der NSA (38 000 Angestellte, zehn Milliarden US-Dollar Budget) mithalten. Dass er sich im Rahmen seiner Möglichkeiten aber keineswegs besser verhält, wurde erst jüngst im NSA-Untersuchungsausschuss offensichtlich. Gleich in der ersten öffentlichen Anhörung des Ausschusses übten drei Staatsrechtler, darunter der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, scharfe Kritik am BND. Die Behörde verhalte sich bisweilen verfassungswidrig und wende aufgrund fehlender rechtlicher Bestimmungen im Ausland zum Teil die gleichen Mittel an, die hierzulande der NSA vorgeworfen würden. Der Berliner Rechtsanwalt Niko Härting hatte bereits im Juli vorigen Jahres in einer Gegenüberstellung auf dem rechtswissenschaftlichen Blog cr-online aufgezeigt, dass die rechtlichen Grund­lagen, auf denen die Praxis der NSA basiert, längst nicht so weit von der deutschen Gesetzeslage entfernt sind, wie allgemein angenommen wird. Beide Dienste würden sich zwangsläufig im Rahmen ihrer Tätigkeit über nationale Gesetzge hinwegsetzen, Bürger anderer Staaten seien sowohl bei der NSA als auch beim BND »vogelfrei«. Mehr Kontrolle und strengere Gesetze seien daher dringend nötig, so die einhellige Meinung der Kritiker.

Bereits im vorigen Jahr hatte der Anwalt gegen die Praxis des BND Klage eingereicht, anhand fragwürdiger Suchbegriffe (»Bombe« oder »Atom«) die internationale Telekommunikation massenhaft zu durchforsten, Klage eingereicht. Nach einem Bericht der Parlamentarischen Kontrollkommission stieß der BND im Jahr 2010 bei seiner Suche nach fast 30 000 angeblich sicherheitsrelevanten Wörtern auf 37 Millionen verdächtige Instanzen. Der BND saß also bereits damals keineswegs nur Zeitung lesend in Parks. Von den dutzenden Millionen »Treffern« wurden letztendlich nur 213 als »nachrichtendienstlich relevant« eingestuft, die auf zwölf E-Mails verteilt waren – was zeigt, wie schnell Unbeteiligte ins Visier der Geheimdienste geraten können. Anwalt Härting klagte mit der Begründung, es sei davon auszugehen, dass seine Korrespondenz mit ausländischen Klienten auf diese Weise ebenfalls überwacht wurde, was gegen deutsches Recht verstoße. In der vergangenen Woche wurde die Klage vom Bundesverwaltungsgericht Leipzig als unzulässig abgewiesen, da Härting nicht nachweisen könne, konkret von der Maßnahme betroffen gewesen zu sein. Hier liegt das Grundproblem, denn nur der BND besitzt die entsprechenden Informationen, und die wiederum sind geheim. Vor der gleichen Schwierigkeit steht die parlamentarische Kontrolle des Geheimdienstes. Die für den BND zuständige G10-Kommission kann ebenfalls nur auf Daten zurückgreifen, die ihnen die Behörde überlässt, die eigentlich von ihnen kontrolliert werden soll.
Härting will nun eine Verfassungsbeschwerde gegen den BND einreichen. Der Gang vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe bietet zumindest die Chance, dass dort grundsätzlicher über Aufgaben und Grenzen staatlicher Überwachung diskutiert wird. In dem vorerst gescheiterten Verfahren gegen die Praxis des BND ging es hingegen nur um die Frage, ob der Geheimdienst seinen Aufgabenbereich verlassen habe und zukünftig besser sicherstellen muss, dass er nicht »aus Versehen« die eigenen Bürger überwacht. Der BND gab dazu die wenig beruhigende Erklärung ab, dass alle E-Mail-Adressen mit der Endung ».de« herausgefiltert würden. Auch bei Bekanntwerden der neuen BND-Projekte wurde viel Wert darauf gelegt, dass es dabei »nicht um die Überwachung der Kommunikation der deutschen Bevölkerung, sondern um die Kommunikation von Ausländern im Ausland« gehe, wie ein BND-Mitarbeiter gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters betonte. Die Transparenzoffensive des Auslandsgeheimdienstes soll so den Deutschen das Gefühl geben, dass der BND auf ihrer Seite stehe und nur ihrem Schutz diene. Ein »BND zum Anfassen«, wie der Präsident bei der Eröffnung der neuen Zentrale in Berlin im April betont hatte. Und wo Vertrauen herrscht, braucht es bekanntlich keine Gesetze.