»Gegenpol zum Kriegsklotz«

In Hamburg soll ein Denkmal für hingerichtete Wehrmachtsdeserteure entstehen, auch einen Entwurf gibt es mittlerweile. René Senenko, der Sprecher des »Bündnisses für ein Hamburger Deserteursdenkmal«, gibt der Jungle World Auskunft.

Wie viele Wehrmachtsdeserteure wurden in Hamburg hingerichtet?
Bisher sind 227 Hingerichtete namentlich ermittelt. Es gab wesentlich mehr, das ist lediglich der aktuelle Stand der Forschung.
Wer betreibt die Nachforschungen?
Der Historiker Lars Skowronski ermittelt zurzeit diejenigen, die auf dem Soldatenfriedhof in Ohlsdorf liegen. Unter den weit mehr als 2 000 dort Begrabenen befindet sich die größte Zahl an Wehrmachtsdeserteuren, die in Hamburg hingerichtet wurden.
Wie soll dieser Toten nun gedacht werden?
Der Wettbewerb, den die Kulturbehörde im Dezember ausgelobt hat, sah vor, dass mindestens zwei Aufgaben zu erfüllen sind. Zum einen ging es um einen zu schaffenden Erinnerungsort zur Würdigung der hingerichteten Wehrmachtsdeserteure und anderer Opfer der NS-Militärjustiz. Zum anderen ging es um die kritische Einbeziehung des sogenannten Kriegsklotzes, also des 76er Kriegerdenkmals aus dem Jahr 1936, das dort am Dammtor steht. Dieses sollte kritisch kommentiert werden. Das Problem dabei: Der Kriegsklotz ist massiv und groß und dominiert das ganze Umfeld am Dammtor.
Der Kriegsklotz ist ein militaristisches, nationalistisches Denkmal mit der Aufschrift »Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen«. Ist es nicht ein Hohn, die Wehrmachtsdeserteure an diesem Ort zu ehren?
Nein, das Deserteursdenkmal ist das Gegendenkmal, ja der Gegenpol zum Kriegsklotz. Aber Gegenstand der Auslobung war auch, dass andere Orte in Hamburg, die im Zusammenhang stehen mit der Wehrmachtsjustiz, als sogenannte dezentrale Orte Bestandteil des Deserteursdenkmals werden. Verbunden werden sie durch ein wiedererkennbares Element.
Gab es Widerstand gegen das Denkmal für die Deserteure?
Ja. Unser Bündnis macht Veranstaltungen am Dammtor. Im vergangenen Jahr haben dort rechte Burschenschafter provoziert und wollten Flugblätter gegen das Deserteursdenkmal verteilen. Es ist uns aber gelungen, sie abzudrängen und die Störaktion zu beenden. Bei Youtube kann man sich das ansehen. In den Vorjahren hatten wir den Kriegsklotz wiederholt in Folie gewickelt. Die Folie wurde von Unbekannten mehrfach heruntergerissen.