Bayerns Umgang mit Rechtsextremismus

Lieber nicht wissen

In Bayern fordern SPD und Grüne die Einrichtung einer Landtagskommission, die kontrollieren soll, wie die Empfehlungen der NSU-Untersuchungsausschüsse umgesetzt werden. Die CSU hält das nicht für erforderlich.

Fast ein Jahr ist es inzwischen her, dass der Untersuchungsausschuss »Rechtsterrorismus in Bayern — NSU« im Bayerischen Landtag seine Arbeit beendet hat. Mitte Juli vorigen Jahres stellte das neunköpfige Gremium nach 31 Sitzungen mit insgesamt 55 Zeugen bei einer der letzten Plenarsitzungen der 16. Legislaturperiode seinen 262 Seiten umfassenden Abschlussbericht vor, der auch gemeinsame Empfehlungen von Regierungs- und Oppositionsparteien enthielt.
Darin forderten die Abgeordneten nicht nur die Umsetzung der Empfehlungen der »Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus«, sondern plädierten unter anderem auch für eine eigene Rechtsextremismusabteilung sowie eine »verstärkte Dokumentation im Landesamt für Verfassungsschutz« (BayLfV). Zudem sollten fortan bei Straftaten, denen Migranten zum Opfer fallen, »rechtsextremistische oder fremdenfeindliche Hintergründe« automatisch geprüft werden.
Bis jetzt, also rund elf Monate später, hat die CSU-geführte Landesregierung eigenen Angaben zufolge bereits einige Reformen umgesetzt. In einer Antwort auf eine Anfrage des SPD-Politikers und ehemaligen Vorsitzenden des bayerischen Untersuchungsausschusses, Franz Schindler, benennt das Innenministerium als »wesentlichen Schwerpunkt« des Landesverfassungsschutzes den »Inlandsextremismus«, wobei hier ein »besonderes Augenmerk auf eine Intensivierung der Bearbeitung des gewalttätigen Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus« gelegt werde. Ansonsten werden vor allem Neuerungen im Umgang mit »Vertrauenspersonen«, bei der Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Polizei und bayerischem Verfassungsschutz und bei der schwerpunktmäßigen Bekämpfung des Rechtsextremismus durch die Polizei angeführt. Auch sei die vielfach kritisierte »Bayerische Informationsstelle gegen Extremismus« personell besser ausgestattet worden, um nicht nur »Beratungsleistungen und Ausstiegsbetreuung«, sondern auch »Schulungsmaßnahmen im Bereich der Polizei« anbieten zu können, heißt es.

SPD und Grünen im Bayerischen Landtag reicht das nicht aus. Schon Anfang April haben sich die Fraktionsvorsitzenden Markus Rinderspacher (SPD) und Margarete Bause (Grüne) in einem Brief an ihren CSU-Kollegen Thomas Kreuzer dafür ausgesprochen, eine eigene Kommission einzurichten. »Vor uns liegt nun die Aufgabe, weiter Aufklärung zu betreiben, und die Herausforderung, die Umsetzung der anstehenden Reformen parlamentarisch mit Nachdruck und Sorgfalt zu begleiten«, schreiben die beiden Fraktionsvorsitzenden. »Diese enorme Aufgabe kann nur gelingen, wenn wir ihr die erforderliche Aufmerksamkeit und den passenden Rahmen widmen.« Als »geeignetes Mittel« empfehle sich eine »Landtagskommission zur parlamentarischen Begleitung der Konsequenzen« aus der Mordserie. Bei der CSU sei dieser Brief aber auf »verhaltene Reaktionen« gestoßen, sagt der Sprecher der SPD-Landtagsfraktion für die Bekämpfung des Rechtsradikalismus, Florian Ritter, der Jungle World. Aus diesem Grund haben die beiden Oppositionsparteien Ende Mai einen gemeinsamen Antrag ins Plenum eingebracht, der der Forderung nach einer Kommission Nachdruck verleihen sollte. Mit Hilfe eines solchen Gremiums solle die Umsetzung der Empfehlungen des parlamentarischen Untersuchungsausschusses des Bundestags, »Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund«, des Untersuchungsausschusses »Rechtsterrorismus in Bayern – NSU« sowie der »Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus« akribisch begleiten werden.

Doch auch nach dem Antrag fand die Forderung bei der CSU keinen Zuspruch. Zwar würde die Partei »das Anliegen von SPD und Grünen« prinzipiell »unterstützen«, doch sei eine Kommission in ihren Augen hierfür »nicht zielführend«. Die beiden CSU-Politiker Josef Zellmeier und Florian Herrmann verweisen in ihrer Pressemitteilung insbesondere auf das parlamentarische Kontrollgremium und den Innenausschuss, die sich bereits heute »regelmäßig mit der Bekämpfung des Rechtsextremismus« befassen würden. Eine eigene Kommission würde hier nur »aufwendige Parallelstrukturen aufbauen«, die nach Meinung der beiden CSU-Innenpolitiker als »wenig sinnvoll« anzusehen wären.
Für Ritter ist das eine »seltsame Reaktion«. Gerade vor dem Hintergrund der guten interfraktionellen Zusammenarbeit im NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags sei die Argumentation gegen eine Kommission »schon recht komisch«. Die Empfehlung der CSU, dieses Thema im Innenausschuss zu behandeln, reicht dem SPD-Abgeordneten nicht. »In einer eigenen Kommission«, betont Ritter, »könnte man sich viel besser darum kümmern und sich auch darauf konzentrieren.« Außerdem sei ein solches Gremium alleine schon für die Opfer wichtig. »Wenn man es versteckt, bringt das auch den Opfern nichts«, sagt Ritter. Die Öffentlichkeit müsse sehen, »dass sich was bewegt und es nicht einfach an die Verwaltung abdelegiert wird« — eine Kommission sei demnach schon aus Transparenzgründen geboten. Nachdem der Antrag von SPD und Grünen ins Plenum eingebracht worden ist, muss er zunächst im Landtag diskutiert werden. Danach wird die Forderung voraussichtlich weiter in die zuständigen Ausschüsse geleitet. Im Laufe dieses Prozesses wolle die Opposition natürlich auch über die Vorschläge der CSU reden und versuchen, dass man »sich irgendwo treffen kann«, sagt Ritter. Zu den genauen Aufgaben einer solchen möglichen Kommission gibt es bislang noch keine Vereinbarung – erst müsse die Situation »prinzipiell geklärt werden«.