Proud crowd

Sie haben es geschafft. Die »Krautreporter« können loslegen. Das tun, wofür sie recht vollmundig wochenlang in eigener Sache warben. »Der Online-Journalismus ist kaputt«, ließ das ambitionierte Team sowohl die digitale als auch die gedruckte Medienwelt wissen, ohne das wirklich zu begründen. Stattdessen schickten die Möchtegernmacher die selbstbewusste Ankündigung hinterher, man werde das wieder hinkriegen, sprich: den Online-Journalismus auf Vordermann bringen. An Minderwertigkeitskomplexen leiden die lieben Kollegen also offenkundig nicht. Als Profis wissen sie eben, dass Klappern zum Geschäft gehört.
Das Anschlagen lauter Töne hat sich ausgezahlt. Die Reporter können sich jetzt über 900 000 Euro Startkapital freuen. Zusammengekommen ist das Geld mit Hilfe eines Crowdfunding-Projekts. Mehr als 15 000 Unterstützer stellen jeweils 60 Euro zur Verfügung, um diesem werbefreien Internet-Magazin eine vorerst einjährige Lebensdauer zu ermöglichen. Sie glauben an das ungewöhnliche Vorhaben, trauen der fast 30köpfigen Mannschaft zu, frei vom Druck der Klickzahlen »die Geschichten hinter den Nachrichten« zu erzählen. Warum auch nicht? Das Netz bietet nun mal eine ideale Grundlage, um Neues auszuprobieren. Auch und gerade im Journalismus. Das ist aller Ehren wert und notwendig.
Nur: Noch ist keineswegs ausgemacht, ob das Ganze kläglich scheitert oder ein grandioser Erfolg wird. Noch weiß kein Unterstützer, ob sich die investierten 60 Euro für ihn rentieren. Es muss sich erst zeigen, ob die Redaktion ihren eigenen Ansprüchen gerecht werden kann. Mit anderen Worten: Die »Krauts« müssen sich erst beweisen. Und das wird schwer genug.
Das fängt schon bei den Themen an. Was bislang angekündigt wurde, wirkt wenig innovativ. Da soll es bald eine Geschichte über Israels Siedlerbewegung geben. Eine andere wird vom guten Schlaf handeln und eine weitere beschäftigt sich mit Zahnreinigung in Deutschland. Sicherlich ganz nette, hoffentlich lesenswerte Reportagen. Aber haben sie tatsächlich das Zeug, dem »kaputten« Online-Journalismus neues Leben einzuhauchen, gar die Medienwelt aus den Angeln zu heben?
Zudem ist fraglich, ob das Finanzierungsmodell tatsächlich unabhängig macht. Die Rudolf-Augstein-Stiftung etwa hilft den Krautreportern mit 60 000 Euro über die ersten Runden. Ist unter dieser Voraussetzung die Redaktion frei genug, zum Beispiel eine investigative Geschichte über den Gründer des Spiegel zu recherchieren und dann zu publizieren?
All das wird sich erst noch zeigen. In einem Jahr wissen wir mehr. Vielleicht gelingt es den Kollegen ja tatsächlich, den Journalismus zu revolutionieren. Der Dank einer ganzen, von Selbstzweifeln geplagten Branche wäre ihnen sicher.