Talmi

Highlight

Meine Unizeit liegt nun auch schon eine Weile zurück, und sicher wird an den Hochschulen heute vieles anders gemacht, wird mit Beamern, augmentierten Realitäten, elektronischen Žižek-Verstärkern und gut verträglichen Neuroleptika operiert, die es in den Nullerjahren nicht gab. Was es aber immer noch gibt, ist der Hörertypus des Markierers. Markierer zeichnen sich dadurch aus, dass sie ein Federmäppchen dabeihaben, das bis zum Rand mit farbigen Stiften gefüllt ist, wie in seligen Grundschulzeiten. Ein ganzer Regenbogen von Textmarkern wird eingesetzt, um Wichtiges von Unwichtigem zu scheiden respektive Bücher und Skripte bunt auszumalen. Im Laufe des Krankheitsverlaufs kommen manchmal Klebezettel hinzu; Frauen entwickeln darüber hinaus noch einen Dutt.
Wie ich sie da so wuseln sah, so bienenfleißig den Geist in Farben auflösend, so tief versunken in die Mühe, Abstraktion rückgängig zu machen, Gedanken in Bilder zurückzuwandeln, wurde mir klar, dass diese Menschen nicht verrückt sind. Sondern: drogensüchtig! Ich vermutete einen Zusammenhang mit den giftigen Dämpfen, die von den Stiften ausgehen, ähnlich wie beim Klebstoffschnüffeln: Je mehr markiert wird, umso mehr Nervenzellen sterben ab, umso geringer wird die Hirnleistung, umso weniger wird verstanden, und umso stärker wiederum das Bedürfnis, Unverstandenes zu markieren. Ein bösartiges Komplott der Schreibwarenindustrie! Nun, ich muss meinen Verdacht beschämt zurückziehen. Hat die Firma Pelikan doch gerade einen Marker erfunden, der sich auch wieder löschen lässt. Ein Werbevideo zeigt eine Studentin, die ganze Bücher in Highlighter-Flüssigkeit tunkt: »Only highlight the important parts!« Es sind diese kleinen Zugeständnisse an die Vernunft, die Hoffnung machen.