Der Abschlussbericht des sächsischen NSU-Ausschusses

Thüringen war schuld

Der sächsische NSU-Untersuchungsausschuss hat seine Arbeit beendet. Die Oppositionsparteien ziehen kein positives Resümee.

Der sächsische Untersuchungsausschuss »Neonazistische Terrornetzwerke in Sachsen« sollte mögliche Versäumnisse und ein etwaiges Fehlverhalten der Landesregierung im Umgang mit dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) untersuchen. Demnächst endet die Legislatur­periode, der Untersuchungsausschuss hat seine Arbeit bereits beendet. Seine Mitglieder sind offensichtlich nicht einer Meinung. Neben dem Bericht des Sachverständigen, des Bundesrichters a. D. Volker Wache, haben die Regierungsparteien CDU und FDP sowie die Oppositionsparteien »Die Linke«, SPD und Bündnis 90/Die Grünen eige­ne Stellungnahmen veröffentlicht.

Die Oppositionsparteien bemängeln in einem gemeinsam verfassten abweichenden Bericht die verspätete Arbeitsaufnahme sowie die Nichtanhörung etlicher bereits benannter Zeugen wegen Zeitmangels. Der Umstand, dass viele der geladenen Zeugen sich nicht mehr genau erinnern konnten, Akten vernichtet oder viel zu spät zur Verfügung gestellt wurden, erschwerte die Arbeit des Ausschusses zusätzlich. »Zu viele Fragen sind offen geblieben«, kritisiert Miro Jennerjahn, Landtagsabgeordneter der Grünen und Mitglied des Untersuchungsausschusses, im Gespräch mit der Jungle World die bisherige Arbeit. So sei weder die »Rolle der Justiz bei Ermittlungen im Spektrum der extremen Rechten« untersucht, noch die Frage geklärt worden, »ob es bei den Morden an zwei sächsischen Neonazis im Jahr 1995 eine Verbindung zum sogenannten Nationalsozialistischen Untergrund« gibt.
Aus diesem Grund haben Linkspartei, SPD und Grüne die Empfehlung ausgesprochen, in der nächsten Legislaturperiode erneut einen Untersuchungsausschuss zu diesem Thema einzusetzen. »Etwas hat der Untersuchungsausschuss allerdings deutlich gezeigt: Die Legende der sächsischen Staatsregierung, Thüringen sei schuld und sächsische Behörden hätten alles richtig gemacht, ist definitiv nicht aufrechtzuerhalten«, sagt Jennerjahn. Auch wenn mit großer Sicherheit nicht alle relevanten Informationen von Thüringen nach Sachsen gelangt seien, hätte sächsischen Behörden eine Vielzahl von Informationen vorgelegen. Auch halfen sächsische Stellen regelmäßig den Thüringer Ermittlungsbehörden bei Observationsmaßnahmen, unterließen es aber weitgehend, eigenständige Ermittlungen durchzuführen. Auf der Suche nach dem »Jenaer Trio« beließ man die Verantwortung in Thüringen, obwohl es immer wieder Verdachtsmo­mente gab, wonach die Gesuchten in Sachsen untergetaucht sein konnten. »Die Passivität der sächsischen Behörden in dieser Hinsicht ist erschreckend«, urteilt Jennerjahn. »Selbst naheliegende Denkansätze wurden nicht vollzogen, etwa, dass Menschen, die untertauchen, auch irgendwie ihren Lebensunterhalt sichern müssen und Beschaffungskriminalität eine Variante sein könnte.« Das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) steht im Mittelpunkt der Kritik. Das Amt habe »relevante Informationen in Bezug auf den NSU nicht an sächsische Polizeidienststellen weitergeleitet« und immer wieder »systematische Fehleinschätzungen über die rechtsextreme Szene« geliefert. Unerträglich findet Jennerjahn, dass das Amt immer noch nicht bereit sei, »diese Fehleinschätzungen zu revidieren«. Sein Fazit lautet deshalb: »Mit einer bloßen Reform dieser Behörde ist es aus meiner Sicht nicht getan. Das LfV ist aus Sicht meiner Fraktion aufzulösen.«

Die im Untersuchungsausschuss gewonnenen Erkenntnisse reichen nach Angaben der linken Oppositionsparteien bisher nicht aus, um zu klären, warum nachweislich Fehler unterlaufen sind. Deshalb sehen sich die Abgeordneten außerstande, die Frage zu beantworten, ob eine Begünstigung, Förderung oder Unterstützung des NSU vorlag. Zugleich betonen sie in ihrem abweichenden Bericht, dass keine Anhaltspunkte vorlägen, »die Anlass zu der Annahme geben würden, sächsischen Behörden wäre die Existenz des NSU als terroristischer Gruppierung bekannt gewesen«. Trotzdem sehen sie die Sicherheitsbehörden des Landes in der Verantwortung. Sie hätten »im Zuge der Fahndung nach dem Trio geeignete Maßnahmen« ergreifen müssen, um es ausfindig zu machen.