Berlin Beatet Bestes. Folge 247.

Wo guckt ihr?

Berlin Beatet Bestes. Folge 247. Willi und seine Elf: Fußball Willi (1970).

Für Fußball interessiere ich mich nur, wenn Weltmeisterschaften oder ­Eurpopameisterschaften sind, denn dann will ich mitreden können, über die Spiele, die verschiedenen Nationalmannschaften und die Fußballerfrisuren. Entscheidend ist allerdings, mit wem man guckt. Manche mögen Public Viewing, draußen mit möglichst vielen Leuten. Ich nicht, es lenkt mich ab, wenn zu viele Leute dazwischenquatschen. Dass irgendwas Spannendes passiert ist, bekomme ich dann nur noch mit, wenn alle plötzlich schreien. Zu Hause mit wenigen Freunden ist es am besten. Und die sollten auch nicht demonstrativ für Brasilien sein oder irgendwie überkritisch. Ich bin selbst kritisch genug, wenn es um Deutschland, Fußball und alles, was damit zusammen hängt, geht. Da will ich nicht noch von irgendwelchen Tröten hören, dass sie ja für Brasilien sind. Es sei denn, sie sind Brasilianer.
Unser Fernseher ist schon mehr als zehn Jahre alt, funktioniert aber noch sehr gut. Meine Freundin und ich haben damals gleich einen großen gekauft, weil wir wussten, dass wir oft gemeinsam mit Freunden fernsehen würden.
Verglichen mit heutigen Flachbildschirmen ist unser Kasten ­natürlich klein. Frech ist die neue, kleine High-Definition-Graphik, die links oben am Bildrand den Spielstand und die Zeit anzeigt. Die ist auf unserer alten Glotze nicht zu entziffern. Der kleine Balken scheint uns sagen zu wollen: Kauft euch mal einen neuen Fernseher. Der Nachbar auf der anderen Straßenseite guckt immer mit einem Beamer. Wenn die rie­sigen Bilder durchs Zimmer flackern, wirkt es so, als würden Riesen gegenüber wohnen.
Als ich unlängst in der Pause des Spiels Deutschland – Portugal kurz nach unten ging, um noch ein Brot zu kaufen, begegnete ich einem befreundeten Pärchen. Überrascht fragte ich: »Und, wo guckt ihr?« Verschämt kam die Antwort: »Gar nicht. Wir müssen zum Elternabend.« O Mann, wer macht denn so was? Die Markthalle war sogar so leer, dass eine Bekannte mit dem Fahrrad direkt vor dem Brotstand vorfahren konnte. Aber natürlich geht das Leben für viele Leute trotz WM weiter. Irgendjemand muss weiter Busse fahren und Brote backen. Man kann sich aber auch bewusst verweigern und die WM komplett ignorieren. Die Ruhe am See genießen. Den Park endlich mal ganz für sich allein haben. Die WM bietet, vor allem, wenn die deutsche Nationalmannschaft spielt, die Gelegenheit, die Bürgersteige und die Schaufenster mal ganz für sich allein zu haben.
Das WM-Maskottchen heißt in diesem Jahr übrigens »Fuleco« und ist ein brasilianisches Gürteltier. Die erste derartige Figur war der zur WM 1966 in England entwickelte britische Löwe »Willie«. Die zur WM 1970 in Mexico veröffentlichte Single von Willi und seiner Elf besang hingegen Willi Schulz, neben Uwe Seeler der wichtigste Nationalspieler der sechziger Jahre: »Zweiundzwanzig Beine, auf dem Fußballfeld/Schwarz-weiß ist die Farbe, bekannt in aller Welt/Und stürmen sie los, ist die Freude groß/Und alles schreit: Uwe, leg doch los!/Unser König ist heut Fußball-Willi.«
Mein Name ist Andreas Michalke. Ich zeichne den Comic »Bigbeatland« und sammle Platten aus allen Perioden der Pop- und Rockmusik. Auf meinem Blog Berlin Beatet Bestes (http://mischalke04.wordpress.com/) stelle ich Platten vor, die ich billig auf Flohmärkten gekauft habe.