Der Umgang mit dem islamistischen Terrorismus

Die Terrorversteher

In Israel wird darüber diskutiert, wie auf die Ermordung der drei Schüler reagiert werden soll. Die internationale Öffentlichkeit fühlt sich nicht zuständig und kritisiert lieber das israelische Vorgehen.
Von

Kaum war die Einheitsregierung von Hamas und Fatah vereidigt, wurde der Raketenbeschuss aus dem Gaza-Streifen intensiviert. 60 Raketen flogen im Juni auf Israel. Kurz darauf folgte die Entführung und Ermordung der drei Jugendlichen. Die neue palästinensische Einheit hat für die Hamas und andere Kräfte im Gaza-Streifen ganz offensichtlich nur einen Sinn, nämlich ihren Jihad voranzutreiben und auf die Westbank auszuweiten. Kein Staat der Welt würde mit solch einer Terrororganisation in Verhandlungen treten, jeder Staat würde im Gegenteil hart gegen sie vorgehen. Nur von Israel wird anderes erwartet. Die US-Regierung rief noch am Montag zur »Zurückhaltung« auf, die deutsche ließ verkünden, sie hoffe, dass das »Streben nach Frieden das Handeln in den kommenden Tagen bestimmt«.
Dabei ist offensichtlich: Soll es irgendwann einmal Frieden im Nahen Osten geben, muss die Hamas ein für alle Mal zerschlagen werden. Darüber wird dieser Tage in Israel diskutiert. Jedoch: Auch wenn die Zerschlagung der Hamas alternativlos erscheint – sie ist ein Ding der Unmöglichkeit. Sie bedürfte einer erneuten dauerhaften Besetzung des Gaza-Streifens durch die israelische Armee. Das jedoch will in Israel kaum jemand, auch nicht die Militärführung. Es hätte unabsehbare Folgen. Für jeden verhafteten oder liquidierten Hamas-Führer stehen zudem zehn neue potentielle Märtyrer bereit, denn seit Jahren sind die Kinder in Gaza zu nichts anderem erzogen worden als zu willigen, fanatisierten Kämpfern gegen den Zionismus. Und auch in der Westbank ist der Fanatismus virulent und der Einfluss der Hamas spürbar. Als am Montagabend ein Krankenwagen die drei Leichen aus dem Westjordanland abtransportierte, wurde er von einem Mob mit Steinen beworfen. Schon die Suche nach den Vermissten war immer wieder durch gewaltsame Ausschreitungen behindert worden.

Doch die Anteilnahme galt in weiten Teilen der internationalen Öffentlichkeit weniger den entführten Schülern und ihren Familien als den »in Kollektivhaftung« genommenen Palästinensern. Zahlreiche deutsche Medien sahen vor allem Israel in der Verantwortung für die Eskalation. Erst recht, nachdem am Montag die Ermordung der drei Schüler bekannt geworden war. Die Taz erschien am Dienstag mit der Schlagzeile: »Israel provoziert eine dritte Intifada«. In der Unterzeile hieß es: »Die palästinensische Führung hat ebenso wie die Bevölkerung bislang deeskaliert. Jetzt muss auch die israelische Regierung zur Vernunft kommen.« In unzähligen Kommentarspalten im Internet brach sich der antisemitische Hass ungebremst Bahn. »Um wie viel friedlicher wäre der Nahe Osten, wenn der Holocaust erfolgreich gewesen wäre?« fragte etwa ein User, der es nicht einmal für nötig hielt, sich hinter einem Pseudonym zu verstecken, in einem Kommentar auf der Facebook-Seite Gregor Gysis. Hunderte weitere Hetzkommentare waren dort zu lesen.
Dass Israel mit Härte reagieren wird, dürfte außer Frage stehen. Konsequent vorzugehen, ist für Israel derzeit doppelt wichtig. Denn es droht nicht nur eine dritte Intifada, sondern noch eine weitere Gefahr: Die Jihadisten-Armee der Isis bedroht bereits Jordanien, den einzigen verlässlichen Nachbarn Israels. Die Macht des Könighauses dort ist fragil. Würde Jordanien zerfallen, wäre dies die größte anzunehmende Katastrophe. Israel bleibt auch deshalb gar nichts anderes übrig, als deutlich zu demonstrieren, dass es sich zu verteidigen bereit und fähig ist.

Aber genau davor, und nicht etwa vor dem islamistischen Terrorismus, fürchtet sich die internationale Öffentlichkeit. Das zeigte sich bereits kurz nach der Entführung. Israels Reaktionen wurden eifrig kritisiert, für das Schicksal der drei Entführten fand sich wenig Empathie. Ganz anders als in Nigeria. Dort, wo bereits über 280 Mädchen und junge Frauen von Islamisten entführt worden sind, macht sich niemand die Mühe, nach den Verschleppten zu suchen oder der Boko Haram irgendetwas entgegenzusetzen. Umso engagierter war die wohlfeile öffentliche Anteilnahme mit folgenlosen Hashtag-Aktionen im Internet. Der konkrete Kampf gegen den islamfaschistischen Terror findet hingegen kaum Unterstützung. Israel reagierte auf die Entführungen mit einer großangelegten Suchaktion, Razzien und Schlägen gegen die als tatverantwortlich wohl feststehende Terrororganisation Hamas. Doch damit macht man sich keine Freunde. Offenbar hätte Benjamin Netanyahu stattdessen ein paar T-Shirts bedrucken lassen und Appelle an die Entführer twittern müssen, um sich internationaler Sympathie zu versichern.

In Israel wird jetzt darüber gestritten, wie auf den dreifachen Mord zu reagieren sei. Es gibt wie immer Scharfmacher und Beschwichtiger. Tatsächlich kann es keine einfache Antwort geben. Die eigentlich notwendige Ausschaltung der Hamas wird nicht machbar sein, höchstens in der Westbank könnte ihre Infrastruktur zerschlagen werden. Andere Staaten hingegen könnten sehr einfach etwas tun: Jede Unterstützung der Hamas, ob durch Katar oder die Türkei, müsste unterbunden werden, und jeder Staat, der die Hamas unterstützt, sollte seinerseits mit Konsequenzen rechnen müssen. Auch müsste die internationale Finanzierung der Autonomiebehörde (PA) überdacht werden. Wie die Jerusalem Post im März berichtete (das Online-Portal Hagalil veröffentlichte eine deutsche Übersetzung), haben die Palästinenser allein von der EU in den vergangenen 20 Jahren 5,6 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt bekommen. Statt in die Verbesserung der Lebensverhältnisse der Palästinenser floss ein großer Teil des Geldes in eine korrupte Bürokratie oder wird sogar dazu genutzt, den Terrorismus direkt zu unterstützen. Bis zu 7,3 Millionen Euro im Monat werden dem Finanzministerium der PA zufolge von der Autonomiebehörde für das »Palästinensische Gefangenengesetz« ausgegeben, welches dafür sorgt, dass Palästinenser, die wegen eines Terrorakts gegen Israel verurteilt werden und ins Gefängnis kommen, eine großzügige monatliche Belohung erhalten. Rund 5 000 Gewalttäter profitieren davon. Das Terroristengehalt reicht demnach von rund 300 Euro bis zu 2 500 Euro pro Monat, gestaffelt nach der Schwere der begangenen Tat. Die Täter können bestimmen, an wen das Geld ausgezahlt werden soll, das kann ihre Familie sein oder auch eine Terrororganisation. Die Terroristen werden in der Westbank als Helden verehrt und auch ihre Kinder erhalten Vergünstigungen, wie zum Beispiel die Befreiung von Studiengebühren.
Und hier reden wir, wohl gemerkt, nicht vom Gaza-Streifen, sondern dem von Mahmoud Abbas kontrollierten Westjordanland. Auch im Umgang mit der PA müsste sich also dringend etwas ändern, wenn man dem Terror Einhalt gebieten wollte. Hier könnten Regierungen, die EU oder die Uno ansetzen, hier hätten sie ein immenses Druckpotential. Doch man kann darauf wetten, dass sie derzeit damit beschäftigt sind, Resolutionen gegen den »Kriegstreiber« Israel vorzubereiten oder Aufrufe zur Mäßigung an Netanyahu zu verfassen.