Platte Buch

Im Pop-Tigel

Michael Chabon ist ein toller Autor, ein Schöpfer von Erzähluniversen, der vor Ideen nur so sprudelt. Für den in Berkeley lebenden Autor scheint Schreiben ein unendlicher Spaß zu sein. Der Roman »Die unglaublichen Abenteuer von Kavalier & Clay«, für den er 2001 den Pulitzer-Preis bekam, handelt von der Welt der Comics, des Krieges und großer Entfesselungskunst; in dem Roman »Die Vereinigung jiddischer Polizisten« entwirft Chabon eine eigene subpolare jüdische Welt. Sein jüngster Streich, der knapp 600 Seiten fassende Ziegelstein »Telegraph Avenue«, hat mehr historische Bodenhaftung. Hochunterhaltsam ist dieser sozio- und popkulturell reich codierte Roman gleichwohl. Wenn man ein Liebhaber von Schallplatten ist, sich für das Verhältnis von weißer und schwarzer Kultur in den USA interessiert und einem lange, gedrechselte Sätze keinen großen Schrecken einjagen, ist man hier richtig.
Die titelgebende Telegraph Avenue verbindet die schwarze Arbeiter-Downton in Oakland mit der weißen Eliteuniversitätsstadt Berkeley. In dieser Straße ist die Handlung angesiedelt: in dem vom schwarzen Archy Stallings und dem weißen Nat Jaffe enthusiastisch geführten Plattenladen Brokeland Records. Hier werden Leben geführt, Legenden gefeiert, Distinktionsgewinne eingefahren, Kulturen verschmolzen. Die Handlung freilich erschöpft sich darin längst nicht. Sonst wäre »Telegraph Avenue« ja nicht der große Amerika-Roman, der er ist.

Michael Chabon: Telegraph Avenue. Aus dem amerikanischen Englisch von Andrea Fischer. Kiepenheuer & Witsch, 2014, 592 Seiten, 24,99 Euro