Internet-Trolle im schwedischen Fernsehen

Jagd auf Trolle

Eine schwedische Fernsehsendung outet sexistische und rassistische Kommentatoren im Internet und produziert damit neue Hassattacken.

Hasserfüllte Kommentare, Drohungen, Gewaltaufrufe – Kommentarspalten im Internet lesen sich oft wie eine große Leistungsschau im Ekligsein. In Skandinavien können sich diejenigen, die anonym Hass und Gewaltaufrufe verbreiten, allerdings nicht unbedingt darauf verlassen, dass ihre Identität auch wirklich geheim bleibt – immer wieder finden Journalisten die Menschen hinter den Accounts und konfrontieren notorische Kommentarschreiber oder Blogger in Zeitungen und Fernsehsendern mit ihren Äußerungen. Den Anfang hatte vor zwei Jahren die norwegische Zeitung Aftenposten gemacht, und zwar mitten in einer aufgeheizten Debatte um einige Roma-Familien, die sich aus Rumänien kommend in Oslo aufhielten. Da mitten in der Feriensaison alle Campingplätze belegt waren und andere Unterkünfte in der Hauptstadt nicht zu finden waren, campierten sie auf einem öffentlichen Platz – weitab von sanitären Einrichtungen. Auf den Internetseiten der großen Medien des Landes tobten sich rasch diejenigen aus, für die die Anwesenheit von rund 20 Roma im drittreichsten Land der Welt ein derart großes Ärgernis war, dass sie von umgehender Ausweisung bis hin zur vorsorglichen Erschießung der Familien alles forderten, was der moderne Europäer nicht mehr nur denkt, sondern im Vertrauen auf die eigene Anonymität auch immer häufiger öffentlich im Internet verbreitet. Mit den eigenen Äußerungen konfrontiert, zeigte sich rasch, was für armselige Würstchen die Männer und Frauen in Wirklichkeit waren: Verschüchtert versuchten sie, ihr Geschreibsel zu relativieren, die meisten löschten ihre Accounts danach umgehend.
Eine schwedische Serie geht nun einen Schritt weiter. In der Sendung »#Trolljegerne« (Troll­jäger) werden diejenigen vorgeführt, die glauben, anonym anderen das Leben zur Hölle machen zu können. Moderator Robert Aschberg, in Schweden ein Fernsehstar, konfrontiert die Verfasser von Internet-Hetze vor laufender Kamera mit ihrem Tun. »Es ist enorm wichtig, dass aus Diskussionen im Internet aller Hass, alle Drohungen und insgesamt alles, was gegen Gesetze verstößt, verschwindet«, sagte Aschberg in einem Interview vor dem Start der Sendung. »Das Internet ist so ein phantastisches Medium, aber leider auch ein Werkzeug, um andere Mernschen anonym zu mobben.« Er selbst habe große Schwierigkeiten zu verstehen, was die Trolle (in Schweden werden alle so genannt, die andere schikanieren) antreibt.
Womöglich verstehen diese das selbst nicht: Gleich zu Beginn der ersten Sendung nahm sich Aschberg eine Facebook-Seite namens »Hult Hater« (Hult hasst) vor. Deren Betreiber hatte für seine 30 000 Fans immer wieder Postings geschrieben, in denen er gegen Frauen hetzte. Eines seiner Opfer war die 20jährige Moa G. Von der jungen Frau kursierte ein fünf Jahre altes Video, das sie beim Sex mit einem Mann zeigt. Sie sagt, es handele sich um eine Vergewaltigung. Hult interessierte das nicht, er bezeichnete Moa G. auf seiner Seite als »Lügnerin« und »Nutte«, außerdem forderte er eine »Erschießungprämie für solche wie sie«. G. versuchte schließlich, sich das Leben zu nehmen. Von Aschberg vor laufender Kamera auf den Fall Moa G. angesprochen, hatte der Mann zunächst einen schweren Anfall von Amnesie, von dem er sich erst nach eingehender Nachhilfe durch den Moderator erholte. Ja doch, er kenne Moa G., gab er schließlich zu, aber alles, was er über sie gesagt habe, wisse er von deren Exfreund. Wirklich einsichtig zeigte sich Hult allerdings nicht. »Ja, es ist nicht richtig, Frauen Nutten zu nennen«, gab er zwar schließlich zu, »aber wenn sie welche sind, dann darf man das schon tun.«
Für den 20jährigen hatte die Sendung ungeahnte Konsequezen: Nach der Ausstrahlung ergoss sich eine Flut von Hasskommentaren in diversen sozialen Netzwerken über ihn, auf die Hult mit Vorwürfen gegen Aschberg reagierte: »Alles, was du geschaffen hast, Robert Aschberg, ist Hass gegen mich, um den du dich auch kümmern müsstest. Oder muss ich etwa mit Morddrohungen leben? Du tust nichts für mich, dir ist wohl nur wichtig, dass du Geld verdienst, egal wie viele Leben du zerstörst.« Aschberg hält es für typisch, dass der Mobber nun gemobbt wird: »Das ist doch alles dieselbe Scheiße und es ist ein Beweis dafür, dass das Problem größer ist als gedacht. Es ist nicht zu tolerieren, dass Menschen diejenigen, mit denen ich mich in der Sendung sachlich auseinandergesetzt habe, nun angreifen.« Man könne das Outing durchaus kritisch sehen, sagt Aschberg: »Aber um das Problem muss sich trotzdem dringend gekümmert werden.« Zumal Trolle nicht immer nur fremde Menschen sein müssen, sondern durchaus auch aus dem Umfeld stammen können, was vor allem durch das Wissen um persönliche Details aus dem Leben ihrer Opfer oft noch viel bedrohlicher wirkt.
Ebenfalls in der ersten Sendung wurde »Kissie« vorgestellt, die ein in Schweden sehr bekanntes Blog betreibt, bei dem es unter anderem um Mode- und Schönheitstipps geht. Kissie, die im wirklichen Leben Alexandra Nilsson heißt, wird in den Kommentarspalten ihres Blogs nicht nur notorisch beleidigt, beispielsweise als »Polakken-Hure« und extrem angefeindet, sondern auch regelmäßig bedroht. Aschberg brauchte nicht lange, um herauszufinden, wer die Frau jahrelang schikanierte: Einer ihrer Kumpels – der alle seine Accounts umgehend löschte. Auch in einem weiteren Fall – ein 17jähriges Mädchen, das Ziel antisemitischer Blogpostings war – ist der Täter jemand aus dem Umfeld, eine Klassenkameradin, die später vor einem Gericht wegen ihrer Hetze zu sozialer Arbeit verurteilt wird.
Das nächste Opfer ist ebenfalls weiblich. Eine junge feministische Bloggerin wird regelmäßig von einer anonymen Person bedroht, die ebenfalls bloggt und in ihren Postings unter anderem zu Gewalt und Mord aufrief. Dieser Täter, ein erwachsener Mann, wurde in der Sendung ungepixelt gezeigt und anschließend von einem Gericht zu einer Geldstrafe verurteilt. Zufall ist es nicht, dass die ersten vorgestellten Opfer Frauen sind. »Mädchen und Frauen, die sich öffentlich äußern, werden ganz oft zur Zielscheibe von sexistischem und frauenfeindlichem Hass«, sagt Aschberg. Er selbst sei im Laufe seiner Karriere zwar ebenfalls sehr oft angefeindet und bedroht worden, aber das sei etwas anderes. »Der Unterschied ist, dass ich ein Mann bin und nicht aufgrund meines Aussehens oder meiner Sexualität bedroht und beleidigt werde.« Außerdem ignoriere er Hassbotschaften, könne aber gleichzeitig »gut verstehen, dass solche Attacken anderen Leuten sehr nahe gehen«.
Darüber, wer sich hinter anonymen Nicks versteckt, um Hetze und Hass zu verbreiten, ist man sich in Skandinavien einig. Zumeist werden junge Männer verdächtigt – das aber, so Aschberg, stimme seiner Erfahrung nach nicht unbedingt immer: »Zu einem Teil sind es zwar wirklich wütende, junge und unzureichend ausgebildete Männer, die Verlierer der Gesellschaft – aber auch diejenigen, die sehr wohl etabliert sind, trollen im Internet.«
Zur letzten Gruppe gehörten vor allem ältere Frauen, »die Einwanderer und das moderne, multikulturelle Land hassen«. Ein Beispiel ist Userin kattan57 (Katze 57). Die Frau hatte mehr als 6 000 rassistische Kommentare verfasst und war in Schweden durchaus zur Internetberühmtheit geworden, wenn auch im negativen Sinne – und erwies sich im wirklichen Leben als ausgesprochener Feigling. Mit ihren Äußerungen konfrontiert, rannte sie einfach weg. Das große Problem an »#Trolljegere« bleibt jedoch, dass die Serie neue Trolle produziert: Auch kattan57 wurde anschließend heftig gemobbt.