Ein Prozess in Paraguay gegen Farmbesetzer

Parteiische Justiz

Der Prozess gegen die paraguayanischen Kleinbäuerinnen und -bauern, die an der Besetzung der Farm Marina Kué bei Curuguaty 2012 beteiligt waren, hat begonnen.

Ihnen drohen bis zu 35 Jahre Haft. Seit Donnerstag voriger Woche stehen 13 Kleinbauern in Salto de Guaira vor Gericht, ihnen werden die »Besetzung fremder Immobilien« und die Gründung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Zehn der Angeklagten wird zudem versuchter Mord an Polizisten zur Last gelegt. Im Juni 2012 war die Farm Marina Kué bei Curuguaty besetzt worden. Kurz darauf, am 15. Juni, räumte die Polizei, dabei kam es zu einer Schießerei, in deren Verlauf elf Besetzer und sechs Polizisten starben. Der Vorfall führte zu einem Amtsenthebungsverfahren gegen den damaligen Staatspräsidenten Fer­nando Lugo, das international als »Parlamentsputsch« kritisiert wurde (Jungle World 27/2012).
Wer geschossen hat, ist weiterhin nicht geklärt. Die paraguayische Justiz untersucht nicht die Tötung der elf Protestierenden. Unter dem Motto »Was geschah in Curuguaty?« hat sich inzwischen eine internationale Solidaritätsbewegung zusammengefunden. Insbesondere in Argentinien protestieren linke Bewegungen und Studierende für eine unvoreingenommene Untersuchung des Vorfalls, auch in Berlin gab es Kundgebungen vor der paraguayischen Botschaft. Doch bislang werden nur die Besetzer und Besetzerinnen gerichtlich belangt. Prozesse gegen Polizisten, die damals völlig unverhältnismäßig vorgingen, wie die Menschenrechtsorganisation Codehupy in einer Untersuchung diagnostizierte, gibt es nicht. Die Angeklagten saßen indes seit knapp zwei Jahren in Untersuchungshaft. Im März konnten sie mit einem 56tägigen Hungerstreik bewirken, dass die Haft in Hausarrest umgewandelt wurde. Doch die Anklagen bleiben bestehen.

Dabei ist umstritten, wer wirklich die Farm Marina Kué widerrechtlich besetzt hat. Der inzwischen verstorbene Agrarunternehmer Blas Riquelme beanspruchte das 2 000 Hektar große Landstück. Doch bereits 2003 kam eine parlamentarische Untersuchungskommission zu dem Ergebnis, dass Riquelme sich das ehemals staatliche Grundstück während der Diktatur Eduardo Strössners (1956–1989) widerrechtlich angeeignet habe. Die Besetzer von 2012 forderten, dass Marina Kué im Rahmen einer Landreform an die Kleinbäuerinnen und -bauern verteilt werde.
Nach einer Umfrage der paraguayischen Nichtregierungsorganisation CIRD glauben über 65 Prozent der Bevölkerung, dass verschleiert wird, was wirklich in Curuguaty geschah. Die paraguayische Linke vermutet, dass das »Massaker von Curuguaty« von einer Mafia aus Polizei, Staatsanwaltschaft und privaten Sicherheitsunternehmen gezielt herbeigeführt wurde, um die Amtsenthebung von Lugo möglich zu machen. »Wie sollen 30 Kleinbauern einen Hinterhalt für 245 Polizisten gelegt haben? Das ist doch unglaubwürdig«, sagte der ehemalige Präsident Lugo der spanischen Nachrichtenagentur Efe.

Lugo, ein ehemaliger Bischof, galt als Hoffnungsträger der Linken und versprach eine Landreform. Damit machte er sich bei der mächtigen Agrarlobby des Landes unbeliebt. Nach Angaben der internationalen Nichtregierungsorganisation Fian, die sich mit dem Recht auf Nahrung befasst, kontrollieren in Paraguay 2,6 Prozent der Bevölkerung 85,5 Prozent des Landes, während 91,4 Prozent nur sechs Prozent des Landes zur Verfügung stehen.
Was sich in Paraguay abspielt, kann man als »ursprüngliche Akkumulation« bezeichnen. Die vor allem aus Brasilien kommende Agrarindus­trie expandiert und baut immer mehr flex crops – also Soja, Mais und Zuckerrohr – an, die je nach Marktlage sowohl für Tierfutter, Nahrung als auch Agrartreibstoffe verwendet werden können. Dazu eignet sie sich immer größere Teile des Landes an, auch mit illegalen und gewalttätigen Mitteln. Erst am 16. Juni drangen Schlägertrupps, die vom brasilianischen Agrarunternehmen La Laguna S.A. angeheuert worden waren, in eine indigene Gemeinde in Y’apo ein und feuerten mit Gummigeschossen, um die Bewohnerinnen und Bewohner zu vertreiben. Von der korrupten Justiz Paraguays haben solche Unternehmen wenig zu befürchten, wie der Fall Curuguaty beweist.