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Es gibt geschützte Berufsbezeichnungen wie etwa Notar, die man nur führen darf, wenn man eine Prüfung abgelegt hat. Und es gibt ungeschützte Berufsbezeichnungen wie Journalist, Leser oder Kalif. Da kann jeder daherkommen und sagen: Ich bin Journalist! Ich bin Leser! Ich bin Kalif! Letzteres bringt aber Probleme mit sich. Wenn Sie Journalist oder Leser werden wollen und jemand anders es schon ist, müssen Sie ihn nicht umbringen. Wollen Sie aber Kalif werden und jemand anders ist es schon – nun, es kann nur einen geben. Und wenn Sie irgendwann keine Lust mehr haben, können Sie nicht sagen: Ich kündige! Sowas tut man als Kalif nämlich nicht.
Werden Sie also lieber Leser. Nun könnten Sie einwenden: Leser ist doch gar kein Beruf! Da bekommt man ja kein Geld. Oder aber: Ich bin doch schon Leser! So einfach sollten Sie es sich nicht machen. Tatsächlich findet der Beruf des Lesers wegen der irrationalen kapitalistischen Verwertungslogik nicht die gebührende Anerkennung. Das aber ist nur ein weiteres Argument gegen den Kapitalismus. Beruf kommt von Berufung, und wer sich zum Leser berufen fühlt, sollte bei der Erfüllung dieser gesellschaftlich nützlichen Aufgabe jede erdenkliche Unterstützung erhalten. Aber freuen Sie sich nicht zu früh! Nicht jeder, der etwas liest, ist deshalb schon ein Leser. Genügt Ihnen der Name eines Ihnen verhassten Autors oder ein Ihre Emotionen ausdrückendes Stichwort, um einen Facebook-Kommentar in die Tasten zu hämmern, fehlt Ihnen die nötige Qualifikation. Dann sollten Sie es lieber als Kalif versuchen. Oder als Journalist, denken Sie jetzt vielleicht hämisch. Aber dafür die notwendige Qualifikation zu erwerben, kann sehr mühsam sein.
Womit wir beim Erich-Mühsam-Fest in der »Zukunft« am Ostkreuz in Berlin-Friedrichshain am 12. Juli wären. (Journalisten zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie immer elegante Übergänge von einem Thema zum anderen finden.) Dort können Sie diversen Lesungen beiwohnen, später am Abend feiern und bei der Jungle World-Veranstaltung »Ein bisschen Frieden – Montagsdemos in rot-braun?« um 17 Uhr 45 (nicht trödeln, das Programm ist unanarchistisch straff!) alles über Verschwörungstheoretiker und Querfrontler erfahren. Am folgenden Montag werden Sie dann bestimmt nicht zur Montagsdemo gehen, zumal in Berlin ein ungleich glamouröseres Event stattfindet: Solidarität vom Fass! Die Jungle World übernimmt am 14. Juli für eine Nacht den Tresen von Möbel Olfe am Kottbusser Tor in Berlin-Kreuzberg. Vergessen Sie an diesem Abend alles, was Sie über die Folgen übermäßigen Alkoholkonsums gelernt haben, denn der Erlös ist für die Auslandsausgabe der Jungle World bestimmt. Wir freuen uns schon auf unsere Leser.