Der Film »The Signal«

Slacker und Hacker

»The Signal« ist der neuerliche Versuch, den Science-Fiction-Film zum Arthouse-Kino zu machen. Nötig wären andere Werke.

Sie sind Slacker, sie sind Hacker und sie haben die dreckigsten Fingernägel der Welt: Die Computerfreaks Nic (Brenton Thwaites) und Jonah (Beau Knapp) befinden sich gemeinsam mit Nics Freundin Haley (Olivia Cooke) auf einem Roadtrip durch die USA. Himmel, Gespräche, Verzweiflung – so sieht sie aus, die Inneneinrichtung von William Eubanks Science-Fiction-Film »The Signal«. Bei den Protagonisten handelt es sich um recht arme Würste mit durchaus ernst zu nehmenden Fähigkeiten: Gleich zu Anfang gibt es eine super Szene, wenn Nic einem kleinen Jungen zeigt, wie man das beste Stofftier aus dem Automaten zieht. Nic ist hochbegabt, physisch jedoch beeinträchtigt: Der gehbehinderte Mann schleppt sich auf Krücken dahin.
Die beiden Studenten wissen zwar, wie das Internet funktioniert, kapieren aber nicht, dass sie selbst Ziel einer Attacke werden. Ein dubioser Hacker namens Nomad schiebt ihnen einen Einbruch unter. Beim nächsten Einloggen werden ihre schrammeligen Laptops gekapert. Es gelingt den beiden aber, eine IP-Adresse ausfindig zu machen. Der Standort ihres Gegners ist: um die Ecke. Na, den gehen wir mal besuchen!
Wie im richtigen Leben fischt die junge Generation in »The Signal« ganz schön im Trüben. Ein düsteres Haus, Erschrecken und Rote-Augen-Optik, ein Leben wie in »Blair Witch Project«. Es fliegt was durch die Luft, es folgt Bewusstlosigkeit.
Für die folgenden Szenen scheinen Filme wie »Die Fliege«, »Alien« und die Kinderstunde Pate gestanden zu haben: Es gibt ein schreckliches Erwachen. Im Forschungslabor voller Personal in Schutzanzügen. Die Jungs werden ein paar Mal am Tag verhört, von einem Mann mit seltsam unbewegtem Gesicht unterm Schutzanzug (Laurence Fishburne). Man liegt im Krankenbett, sieht die anderen nur durch Drahtglas. Nach Virus sieht es hier aus, nach Regierungsstellen, nach bürokratisierter Hoffnungslosigkeit. Und, finden unsere Helden denn noch raus, was es mit dem Hacker Nomad, den komischen Labormenschen, und ihnen selbst auf sich hat?
Der Mensch als Reisender im Weltall – Iso­lation ist das Thema von »The Signal«. Man versteht sich untereinander nicht oder liegt im Koma. Man gerät in eine Versuchsanordnung, von der man nicht weiß, wo sie sich befindet. Andeutungen sollen die Spannung besorgen, spärliche Gags die Eintönigkeit durchbrechen. Nic findet heraus, dass er gar keine Beine hat – sondern Prothesen auf höchstem technischen Niveau, so ausgefeilt, dass er nicht mal gemerkt hat, dass er sie hat. Laufen können die 180 Kilometer die Stunde. Zur Sicherheit schaut er aber auch noch mal in die Unterhose, ob sonst noch alles dran ist. Publikumslacher! Die Labormannschaft ist nicht das, was sie zu sein scheint, ihre unbewegten Gesichter könnten nur aufgemalt sein. Der eintätowierte Zahlencode ergibt in der Summe eine recht populäre Zahl, die an außerirdisches Leben denken lässt. Ob man bei der Auflösung noch aufmerksam ist?
In diesem Film wird nicht nur mit den Figuren, sondern auch mit dem Zuschauer experimentiert. »The Signal« vereint Elemente des juvenilen Unterwegsfilms mit Science-Fiction im Sinne einer Novelle: Den Figuren passiert etwas Ungewöhnliches, genau einmal. Es gibt nur eine Perspektive, und zwar die von Nic. Wie er hat auch der Zuschauer keinen Einblick in die aktuelle Entwicklung, soll in der Spannung gehalten werden.
»The Signal« passt sich ein in die derzeitige Schwemme von Science-Fiction-Filmen. Es geht dabei ums große Hollywood-Kino, wo etwa Matt Damon in »Elysium« (2013) den Weltenretter spielt oder Tom Cruise den Kampfanzug des hochgerüsteten Underdog schon gar nicht mehr auszieht (»Krieg der Welten«, »Oblivion«, »Edge of Tomorrow«). Und dann gibt es ja auch noch die Kinderzirkus-Variante: die Reihe »Transformers«. Jenen Filmen, denen reflexives Potential fehlt, geht es um die reine Waffenschau.
Mit recht bescheidenen Budgets versuchen einige Regisseure aber auch, Zukunft mit den Mitteln des Arthouse-Kinos zu entwickeln. Duncan Jones in »Moon« (2009), Neill Blomkamp in »District 9« (2009): Hier sollen filmische Entwürfe gegen das Mainstream-Kino stehen. Isolation, Rassismus, Genmanipulation heißen die Themen.
Egal, welche der Varianten gewählt wird: Viele Filmemacher stellen ihre Geschichten verblüffend simpel dar, die erzählerischen Mittel sind von anno dunnemals. Perspektivwechsel sucht man ebenso vergebens wie mehrschichtiges Erzählen. Wie der Astronaut in »Moon« über lange Passagen hinweg seinem Alltag nachgeht, in der Ereignislosigkeit verharrt, zwekcks Bewusstwerdung seines Schicksals lange in die Gegend schaut, so verbringt Nic in »The Signal« eine geschätzte Ewigkeit im Nichts. Da wird er zur Befragung geholt und wieder ins Zimmer gebracht. Man schaut sich lange an, schweigt. Verfolgungsjagden mit der Polizei könnten aus einer beliebigen Krimi-Serie stammen, sie haben nichts Originäres. Das Potential der SF-Themen wird seltenausgeschöpft.
Eigentlich könnte es doch wunderbar sein, dass so viele Filme die Gegenwart als Zukunftsstoff verhandeln. Aber gesellschaftlich bedeutende Impulse gibt es aus der Ecke bislang kaum. Anders gesagt: Das meiste versinkt in stilistischer, optischer und erzählerischer Langeweile.
Vielleicht ist der Science-Fiction-Film weder Arthouse-Genre noch Popcorn-Kino. Sondern was ganz Eigenes. Schauen wir mal in eine andere Branche: »Die Kritik ist am Zug«, schreibt dieser Tage der Verband der deutschen Filmkritik. »In ihr schlummert das Potential, wagemutige Positionen zu erforschen.« Verkommen sei die einst hehre Kritik, passe sich an vorherrschende Normen und Marktgegebenheiten an. »Dabei büßt sie ihren unabhängigen Geist ein und wird zur Dienstleistung. Eigenständiges Denken wird von Reflexen abgelöst.«
Das Gegenmittel: »die aktivistische Kritik«. Sie soll die gesellschaftlichen Dimensionen von Werken untersuchen: »Sie blickt neugierig auf das vermeintlich Profane, verteidigt das Lustvolle, verdammt das Abgeklärte. Aktivistische Kritik ist subversiv. Sie unterwandert das auf den Lügen des Pragmatismus errichtete Gebäude. Sie setzt die Automatismen von Gefälligkeiten und Gefälligem außer Kraft.«
Tolle Sache! Jetzt fehlen nur noch die aktivistischen Filme dazu. Subversiv sollen sie sein, Lügen entlarven und die Automatismen außer Kraft setzen … Wär’ doch ein super Kinoprogramm.

»The Signal« (USA 2014). Regie: William Eubank, Darsteller: Brenton Thwaites, Laurence Fishburne. Start: 10. Juli