Zum Polizeigewalt-Video aus Berlin-Kreuzberg

Keine Frage der Gewaltdosierung

In der Diskussion über Polizeigewalt wird das tatsächlich Wichtige übersehen: Die Polizei tritt als politischer Akteur auf.
Von

Clowns sind komische und zugleich tragische Gestalten. Als ein junger Mann mit Clownsnase kürzlich widerständig und lustig sein wollte, endete es tragisch. In einem antiautoritären Reflex nervte er eine Gruppe Polizisten, die wegen einer Schlägerei am Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg ermittelten. Nachdem er einem Platzverweis nicht nachgekommen war und seinen Ausweis nach Aufforderung nicht sofort vorgezeigt hatte, versuchten die Beamten, ihn festzunehmen. Weil der Clown bei der Festnahme renitent zappelte, setzten ihm vier Polizisten mit Kniestößen, Schlägen und Hebelgriffen zu. Dieser ruppige Umgang führte zu lautstarker Empörung bei zahlreichen Passanten. Mit kollektiver Zivilcourage mischten sie sich ins Geschehen ein. Es entstand ein minutenlanges, unübersichtliches Gerangel mit viel Geschrei, überforderten Beamten und einer ordentlichen Prise Pfefferspray. Am Ende landete alles auf Youtube, Titel: »Brutaler Polizeiübergriff, 5. Juli 2014, Berlin«.
Innerhalb weniger Tage wurde das Video hunderttausendfach angeklickt und hitzig diskutiert. Dabei zeigt der Clip nicht einmal einen polizeilichen Gewaltexzess. Zu sehen sind einige Streifenpolizisten, die mit der Festnahme eines strampelnden Clowns überfordert sind. Sie leben nicht ihren Hass an einem Wehrlosen aus, sondern versuchen, den passiven Widerstand eines Mannes mit körperlicher Gewalt zu brechen. Das ist wirklich nicht schön, aber selbst in dieser rabiaten Form gängige Polizeipraxis.
Viel interessanter als die Debatte um die angemessene Gewaltdosierung gegen Hippies mit Clownsnase ist, wie die Polizeiführung nicht nur in dieser politischen Diskussion interveniert. Die Polizei ist längst ein politischer Akteur. So stellte beispielsweise der Berliner Polizeipräsident Anfang des Monats dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg öffentlich ein Ultimatum: Falls der Bezirk keine Räumungsaufforderung für die von Flüchtlingen besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule erteile, würden die Hundertschaften abziehen. (Jungle World 28/2014) Weil Stimmungsmache am besten funktioniert, wenn man sich zuerst die Informations- und Interpretationshoheit erkämpft, hat die Polizei eine eigene Propagandaabteilung. In der Polizeimeldung Nr. 1 602 vom 6. Juli wird auch die Festnahme des Clowns recht eigenwillig zusammengefasst: »Nachdem die Polizisten ihn vergeblich des Platzes verwiesen hatten und die Behinderungen anhielten, zog ein Beamter den Störenfried zur Seite, woraufhin sich eine Personengruppe von bis zu 60 Personen in das Geschehen einmischte und die Einsatzbeamten attackierte.« Die Beamten seien also beinahe grundlos von einem Mob angegriffen worden, nachdem sie den Clown »zur Seite gezogen« hatten.
Nach dem Auftauchen des Videos in diversen Medien modifizierte die Polizei ihre Geschichte. Zugleich ließ sie einige Bauchrednerpuppen die Authentizität des Films anzweifeln. So sprach der Generalsekretär der Berliner CDU, Kai Wegner: »Das Video des Polizeieinsatzes ist offensichtlich ein Propagandafilm.« Es handele sich um »ein Manöver aus der extrem linken Ecke, um das gesellschaftliche Klima zu vergiften und die Polizeikräfte verächtlich zu machen«. Das ist selbstverständlich blanker Unsinn. Sich verächtlich zu machen, schafft die Polizei gut selbst. Man braucht ihr nur bei der Arbeit zuzuschauen.