Kaufhäuser sind Relikte der Vergangenheit

Digital ist besser

Kaufhäuser sind Relikte einer anderen Zeit, die niemand vermisst. Ein Abgesang auf die Kaufhaus-Kultur.
Von

Dass Einkaufen nirgendwo so schön ist wie am heimischen Computer, merkt man spätestens dann, wenn man einen Verkäufer zum fünften mal bittet, nochmal die Umhängetasche zu zeigen, die er schon viermal wieder zurückgelegt hatte. Oder vergeblich nach den Bewertungen anderer Käufer sucht. Oder nachfragt, in welchem Laden dieses Modell gerade am billigsten zu haben ist. Oder mal auf die Toilette muss und hinterher weder Ware noch Verkäufer wiederfindet. An dem Tag, als ich eine neue Umhängetasche kaufen wollte, weil meine alte gerade auseinanderfiel, konnte ich das Kaufhaus gar nicht erst betreten, weil ich schon an der Tür von zwei ­Sicherheitsmenschen mit Knopf im Ohr wieder hinauskomplimentiert wurde. Na gut, ich war nackt, aber das ist schließlich genau die Art Komfort, die ich vom Einkaufen bei 30 Grad im Schatten erwarte. Immerhin war ich bei Karstadt und nicht in der Kirche!

Als ich wenig später – bekleidet – den nächsten Versuch unternahm, wartete ich vergeblich auf einen Verkäufer. Nach einer Weile tat ich, was ich immer tue, wenn eine Website sehr langsam lädt: Ich griff mir ein Stück Pizza aus dem Karton, den ich bei mir hatte, und fing an zu kauen. Dann ging alles sehr schnell: Noch während ich versuchte, das plötzlich aufgetauchte Personal zu bitten, mir im Preisbereich von ein bis 100 Euro alle vorhandenen Umhängetaschen mit Laptop­fach zu zeigen, die möglichst klein und nicht aus Leder sind und einen Riemen aus dem Material eines Sicherheitsgurtes haben, wollte mein Gegenüber mit mir nur über die Pizza reden. Als sich die Diskussion in die Länge zog, wurde ich ungeduldig und steckte mir eine Zigarette an – nur um mich gleich darauf erneut vor der Tür wiederzufinden. Die wollen mein Geld doch gar nicht!
Wenn ich nicht sehr dringend diese neue Umhängetasche gebraucht hätte, hätte ich an dieser Stelle einfach aufgegeben. Allerdings musste ich einsehen, dass ich irgendwie falsch an die Sache heranging. Zum Glück hatte ich noch vage Erinnerungen aus meiner Kindheit an das Verhalten in Kaufhäusern und suchte erneut die Lederwarenabteilung auf. Dort fand ich nichts, was meinen Vorstellungen auch nur entfernt entsprach. Beim Betrachten des antiken Sortiments wurden mir drei Dinge erst wirklich klar. Erstens: Ich musste mich in einer Art Museum befinden. Zweitens: Karstadt wäre nicht pleite, wenn sie einfach nur Eintritt nehmen würden, wie jedes andere Museum auch. Und drittens verstand ich endlich, warum die Senioren-Reisegruppen in Berlin-Mitte immer in Einheitsbeige unterwegs waren – sie bekamen dort, wo sie einkauften, schlicht nichts anderes.

Als nächstes versuchte ich mein Glück bei der Konkurrenz am Alexanderplatz, wo ich die Theorie vom Museum wieder verwerfen musste. Das ist kein Museum, das ist ein Tempel! Die sakrale Atmosphäre samtweißer Hallen führt dem Individuum eindrucksvoll vor Augen, wie klein und unbedeutend es selbst ist. Bevor dem unwürdigen Subjekt gestattet wird, mit der eigentlichen Ware in Kontakt zu treten, muss es ganze Landschaften sublimer Konsumartikel wie Schmuck, Schminke und Parfum durchschreiten, die einzig und alleine dazu dienen, armen Sündern die Nichtigkeit ihrer bescheidenen Solvenz vor Augen zu führen. Der Kauf profaner Gegenstände wird hier allenfalls geduldet.
Immerhin wurde ich fündig. Die Umhängetasche, die ich erstand, war zwar nicht ganz das, was ich gesucht hatte, aber ich konnte mich damit in die U8 setzen, ohne mich für sie zu schämen. Höhepunkt der Liturgie ist der Bezahlvorgang an den heiligen Kassen. Dort wurde es wieder kompliziert, weil ich mit meinem üblichen Nutzernamen und Passwort nicht weiterkam, obwohl ich dort früher schon einkaufen war. Mein Versuch, stattdessen E-Mail-Adresse und Postanschrift zu hinterlassen, half auch nicht weiter, es wurde erwartet, dass ich meinen Einkauf selbst mitnähme. Ich bin es eigentlich gewohnt, ihn zwei Tage später in der Arztpraxis im Erdgeschoss abzuholen. Dort hinterlegt nämlich der DHL-Bote immer meine Bestellungen, während ich noch schlafe. Aber gut.
Bevor ich das Kaufhaus verließ, kritzelte ich noch »Tolle Ware, top Seller, gerne wieder!« auf ein Post-it, das ich etwas hilflos dem Verkäufer ans Revers pappte. Später am Abend, während ich zurück in vertrauter Umgebung an meiner intelligenten Drohne tüftelte, die mir künftig beim Späti Bier holen fliegen soll – später am Abend also bekam ich Hunger und mir fiel der einzige Nachteil von Online-Shops auf: Wenn du kein Bargeld mehr hast, kannst du im Internet nicht containern.