Das neue Album der Band Trans Am

Atemlos am Synthesizer

Seit 20 Jahren bewegt sich die Post-Rock-Band Trans Am zwischen Krautrock und Synth-Pop, breitbeinigen Rockgesten und androgynen Vocoder-Stimmen, musikalischem Futurismus und absurdem Humor. Jetzt erscheint ihr neues Album »Volume X«.

In der US-Filmkomödie »The Big Lebowski« (1998) spielen drei deutsche Nihilisten namens Uli, Kieffer und Franz eine Rolle. Sie tun sich nicht nur als Pornodarsteller und dilettantische Entführer hervor, sondern bilden zusammen auch die Techno-Pop-Gruppe Autobahn. Das stilvoll gestaltete Cover ihres Album »Nagelbett« wird in einer Szene beiläufig ins Bild gerückt, ihr rudimentärer Post-Kraftwerk-Sound an anderer Stelle eingespielt. Der flirrende Vocoder-Gesang beschränkt sich auf die Zeile »We believe in nothing/Wir glauben an nichts«. Diese Art von Humor, aber auch ähnliche musikalische Einflüsse finden sich zur selben Zeit bei der Band Trans Am, deren zehntes Album »Volume X« in diesen Tagen erscheint. Die Veröffentlichungspolitik der Plattenfirma mutet etwas merkwürdig an: Bereits im Mai ist das Album in den USA veröffentlicht worden, mit dreimonatiger Verspätung erscheint es jetzt in verschiedenen europäischen Ländern.
Die Geschichte der Band ist eng verwoben mit der Entwicklung des kleinen unabhängigen Labels Thrill Jockey, das 1992 von Bettina Richards in New York gegründet wurde und 1995 nach Chicago zog, wo Richards mit ihrem Musiklabel zudem den Chicago Post Rock prägte. Neben den stilistisch recht unterschiedlichen Bands Tortoise und The Sea & Cake gehören Trans Am seitdem zu den Aushängeschildern beider Labels. Die drei Gruppen veränderten Mitte der neunziger Jahre die Wahrnehmung von Rockmusik auf ihre je eigene Weise; sie veröffentlichen bis heute ihre Alben ausschließlich auf Thrill Jockey. Tortoise nahmen Jazz-, Dub- und Electronica-Einflüsse in ihre Instrumentalmusik auf, während The Sea & Cake um Frontmann Sam Prekop letztlich Songstrukturen beibehielten und dem klassischen amerikanischen Indie-Rock verhaftet blieben, allerdings mit deutlichen Jazz-Anleihen und ephemerer Leichtigkeit. Als Bindeglied fungiert nicht nur die Plattenfirma, sondern auch Schlagzeuger John McEntire, der in beiden Bands dabei ist, darüber hinaus aber als Tontechniker den Klang zahlreicher Chicagoer Independent-Musiker mitgestaltet. Für Trans Am produzierte er unter anderem die ersten beiden LP.
Gegründet wurden Trans Am 1990 in Maryland im Umfeld der D.C.-Hardcore-Szene; in der klassischen Rockformation besteht die Band aus Gitarre (Philip Manley), Bass (Nathan Means) und Schlagzeug (Sebastian Thomson). Das Debüt-Album des Trios erschien erst 1996, ein leichter Fugazi-Einfluss ist darauf noch zu hören, aber die Band hat sich inzwischen weg vom Post-Hardcore hin zum Krautrock orientiert. Genau genommen klingt hier die treibende, geradlinige Variante der Düsseldorfer von Neu! an und weniger das verschwurbelte Muckertum anderer Krautbands. Außerdem wird ein Teil der zunächst nur instrumentalen Stücke von an New Age erinnernden Synthieflächen dominiert, die in den vergangenen Jahren durch den dronigen Elektro-Ambient der Emeralds oder von Oneohtrix Point Never auch ohne Beats wieder salonfähig geworden sind. Bei den anderen Songs werden Bass und Schlagzeug von Rock-Riffs oder Noise-Gitarren begleitet, jedoch ohne den Bombast und die Laut-Leise-Laut-Dramaturgie anderer Instrumental-Rockbands. Das klingt ziemlich heterogen und ist es auch, passt jedoch von Beginn an erstaunlich gut zusammen.
Trans Am nennen ihren eigenen Stil Heavy American Electro Rock, wobei man ihre Selbstaussagen nicht allzu ernst nehmen sollte, ebenso wenig ihre Benennung nach einem teuren Sportwagen, dem Top-Modell des Pontiac Firebird (in Deutschland vor allem durch das sprechende Superauto KITT aus der Serie »Knight Rider« bekannt). Denn absurder Humor gehört ebenfalls von Anfang an zu ihren Charakteristika, so dass ein Kritiker schon bei ihrem Debüt feststellte, ohne Ironie seien die Gitarren-Licks kaum zu ertragen. Damit konterkarieren sie die ätzende Pseudo-Authentizität des Stadion-Rock, ohne dass die Musik des Trios dadurch auf einen schlechten oder sogar guten Witz reduziert wird. Gitarrist Manley spielt nebenher auch bei der gar nicht so ironischen, aber unterhaltsam-derben Prog Rock-Band Fucking Champs, mit der Trans Am mehrfach kooperiert haben.
Seit dem vierten Album, »Futureworld« (1999), arbeitet die Band mit Vocoder-Gesang oder anderweitig verzerrten Stimmen, so dass auch der Einfluss von Kraftwerk deutlich wird. Überhaupt bildet die A-Seite der Platte einen vorläufigen Höhepunkt im Werk: Die Kombination aus technoider Stimme, Synthies, klobigem Bass und wuchtigen Drums, aus Energie, Ironie und Melancholie wird hier zur homogenen Einheit. Mit »Am Rhein« findet sich darauf auch ein großartiger Noiserock-Track und zugleich abstruser deutschsprachiger Titel, der lyrisch gar nicht so weit entfernt ist von den Autobahn-Nihilisten: »Wo ich wohn am Rhein da steht/Wir haben Spaß und feiern die ganze Nacht/ … /In mein Haus ist ein bisschen viel Bier/Es ist ein gute Haus, alles klar/Mit ein Wasserbett 40 Meter lang«.
Zusammen mit der nachfolgenden Doppel-LP »Red Line« (2000) markiert »Futureworld« die wichtigste Arbeit von Trans Am, bevor die Band sich kurzfristig zu sehr auf den Humor ihrer Hörer verließ und mit »TA« (2002) ein penetrant ironisches Konzeptalbum mit Elektro-Pop produzierte, das wohl den damaligen Neo-Wave- und Elektroclash-Boom persiflieren sollte. Der betont schmierige Synthie-Pop, der sich kaum von schlichteren New-Order-Epigonen unterscheidet, sowie die betont albernen wie sinnlosen Songtexte zu besonders klischeehaften Melodien führen lediglich dazu, dass man schon beim ersten Hören genervt reagiert. Es handelt sich um das einzige wirklich misslungene Album der Band, wobei sogar auf »TA« auch tolle (Instrumental-)Tracks wie »Afternight« zu finden sind. Der Nachfolger »Liberation« (2004) fällt wiederum zu ernst aus (zumindest für ihren gewohnten, uneigentlichen Stil), da es sich um das politischste Album der Band handelt – mit Stimm-Samples von George W. Bush und wenig subtilen Songtiteln wie »Divine Invasion« und »Total Information Awareness«. Dieser Sarkasmus soll allerdings gar nicht erst lustig sein.
Beim Anhören der letzten Alben hat man den Eindruck, dass die Band sich nichts mehr beweisen muss, sie konzentriert sich ganz auf den eigenen Stil. So auch auf »Volume X«. Der erste Song, »Anthropocene«, würde sogar als Single taugen, mit seinem druckvollen Bass-Riff, auffälligem Drum-Beat und den verhuschten Feedback-Schleifen – und mit tatsächlich unverzerrtem, nur mit Hall bearbeitetem Shoegaze-Gesang. Die weiteren Tracks wirken bisweilen wie herausgeschnittene Skizzen und Miniaturen aus längeren Aufnahmen, die allerdings so pointiert sind, dass sie nicht den Eindruck von Austauschbarkeit erwecken. Der Song »Backlash« erinnert mit seinem Industrial Hardcore an Bands wie Ministry und KMFDM, wobei man sich aufs Neue fragt, ob Trans Am das ernst meinen, zumal am Ende des Stücks noch ein kleines, stereotyp zweistimmiges Metal-Gitarrensolo über das Geknüppel gelegt wird. Andererseits ist das letztlich unerheblich – auch beim damaligen Mini-Hit des Genres, »Jesus Built My Hot Rod« von Ministry, handelte es sich schließlich nicht um ein bierernstes Monument aggressiver Rockmusik. Der Trans-Am-Humor ist hier also wieder angenehm beiläufig und uneindeutig.
Umso erstaunlicher ist daher der Makel, den etwa der Kritiker von Pitchfork entdeckt haben möchte. Er fordert die Band auf, sie möge endlich wieder »urgent, absurd, ambitious records« aufnehmen. Aber eine Band, die nach 20 Jahren in ihrem Spätwerk versuchen würde, den eigenen Humor zu toppen und die dabei auch noch »ambitioniert« auftreten würde – man kann sich musikalisch kaum etwas Gruseligeres vorstellen. Trans Am reizen in den Stücken auf »Volume X« stattdessen weiter das aus, was sie ohnehin am Besten können. Insgesamt handelt es sich um ein würdiges Best-of all der Stilmittel, die die Gruppe auszeichnen. Zum Abschluss des Albums wird der Hörer mit der schönen, verträumt-kitschigen Instrumental-Ballade »Insufficiently Breathless« verabschiedet, die sich auch als versöhnlicher Rausschmeißer für die Europa-Tour im Herbst anbietet.

Trans Am: Volume X. (Thrill Jockey/Rough Trade)