Talmi

The Veggie Hun

In deutschen Großstädten hat ein neues Spiel Konjunktur. Ein Spieler wird zum »Detektiv«, die anderen sind die »Mörder«. Der Detektiv liest ein Buch von Attila Hildmann, wird darüber vegan und geht dann sechs Wochen lang seinen Mitspielern so fest wie möglich auf die Nerven. Er nimmt Kellner ins Kreuzverhör, ob der Rotwein mit Tierfetten filtriert wurde, kauft einen Jahresvorrat Vitamin-B12-Dragées und empört sich über »Leichenteile im Supermarkt«. Nach Ablauf der sechs Wochen isst der Detektiv wieder wie gewohnt Fleisch, weil er festgestellt hat, »dass Vegansein nicht mein Weg ist«. Der Erfinder des Spiels, Attila Hildmann, Verfasser von sechs verzehrfertig veganen Büchern, ist übers Gemüsebeschreiben so reich geworden, dass er sich einen Porsche leistet, was ihm viel Ärger von veganen Mini-Fahrern einbringt. Worin gründet sein Erfolg? Einerseits lebt er unverdrossen Veganismus als Lifestyle, als bürgerliches Distinktionsgebahren gegenüber einer fleischig-verfetteten, habituell unhygienisch vorgestellten Unterschicht. Andererseits nimmt er der Idee das Prinzipielle, macht Veganismus an- und abschaltbar, wie eine Diät oder ein Sky-Abo. Vor allem aber ist es wohl sein Name, der die Leute in Wallung bringt: hier Attila, der Eroberer, der radikal aufräumt, der die Fleischfresser mit eisernem Schuh zerstampft; da Hildmann, der rührige Grundschullehrer aus Hildesheim, in dessen Namen die holde Huld wie auch Hilde, Hilda et cetera dem Bindestrich-Mann die Hand geben, den Hunnen also feminisieren, mäßigen, seinen Triumph mit Blumen kränzen. Hier fühlt sich der vegane Bürger aufgehoben, der sich am liebsten als mühsam gezähmter Revolutionär versteht, der Anarchie und Verantwortung, Porsche und Komposter in einem Carport vereinigt.