Der Film »Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste«

Die Cannes-Rolle der Frau

Die Berliner Regisseurin Isabell Šuba nutzte eine Einladung zu den Internationalen Filmfestspielen von Cannes für ein filmisches Experiment: »Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste« kommt jetzt ins Kino.

Es gibt ein großartiges Lied von Stereo Total mit dem Titel »Die Frau in der Musik«. Darin singt Françoise Cactus mit ihrem herrlichen französischen Akzent: »Die Frau in der Musik stört immer, die Frau in der Musik ist lästig und hysterisch.« Genau wie die Frau im Filmbusiness solle sie besser »sexy Unterwäsche tragen Tag und Nacht«. An dieses Lied musste man denken, als es der Jury in Cannes 2012 tatsächlich gelang, nicht einen einzigen Film einer Regisseurin – nicht einmal den gern genommenen Alibifilm – in den Wettbewerb um die »Goldene Palme« zu schicken. Bis dahin hatte man sich nie öffentlich aufgeregt, dass in der Geschichte dieses Wettbewerbs nur ein einziges Mal eine Frau die »Goldene Palme« gewonnen hatte, nämlich Jane Cam­pion für »Das Piano«. Jetzt reichte es: Das französische Frauenfilmkollektiv La Barbe setzte einen Brandbrief auf, der die Frage stellte, ob das französische Kino frauenfeindlich sei. 1 800 Kulturschaffende unterzeichneten ihn.
Die damals nach Cannes eingeladene junge Berliner Regisseurin Isabell Šuba, die auf dem Festival ihren Kurzfilm »Chica XX Mujer« in der Reihe »Next Generation« präsentieren durfte, entschloss sich zu einem Experiment: Sie engagierte die Schauspielerin Anne Haug, die an ihrer statt nach Cannes reiste, um den Kurzfilm zu präsentieren – Šuba begleitete sie dabei mit der Kamera. Sie ließ sich als Filmstudentin unter falschem Namen in Cannes akkreditieren und filmte an fünf Tagen in Guerilla-Manier auf dem Festival. Entstanden ist ein Film, der halb Dokumentation, halb Mockumentary ist und den schönen, von besagtem Brandbrief inspirierten Titel »Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste« trägt.
Den Part des sexistischen, verpeilten und selbstgefälligen Filmproduzenten David Wendlandt übernahm Matthias Weidenhöfer.
Die fiktive Rahmenhandlung konzentriert sich auf das Verhältnis zwischen der Nachwuchsregisseurin und dem Jungproduzenten: »Ich will mit diesem Typen nicht in einem Bett schlafen!« entrüstet sich die Regisseurin, als sie, endlich in Cannes angekommen, feststellen muss, dass ihr Produzent eine ihr unbekannte Frau in dem engen, teuren Appartement einquartiert hat. Doch das ist nur der Anfang eines völlig unglamourösen Aufenthalts in Cannes, wo es beinahe unaufhörlich regnet. Dank des selbstgefälligen und unfä­higen Produzenten verpasst die Frau den entscheidenden Interviewtermin, der junge Schnösel versäumt es auch, sich um wichtige Einladungen zu kümmern, und mit dem neuen Filmprojekt, für das die Nachwuchsregisseurin in Cannes werben will, kennt sich der großmäulige Kerl nicht aus, er hat nicht einmal das Treatment gelesen. Dennoch maßt er sich an, die Westernkomödie über zwei ungleiche Schwestern als »Buddy-Movie« verkaufen zu wollen. Als die Regisseurin einwendet, dass dies doch ein Männerwort sei, entgegnet der Macho unverblümt: »Ja, vielleicht gerade deswegen.«
Dabei kommt einem die kolportierte Stellungnahme des Wettbewerbsleiters von Cannes, Thierry Frémaux, in den Sinn. »Wir wählen keinen Film aus, nur weil er von einer Frau gemacht worden ist«, soll er gesagt haben. Angeblich erfolgt die Auswahl der Filme in Cannes nach objektiven Kriterien, tatsächlich sind die Filmindustrie und das Festivalgeschäft konservative Institutionen. Es wird ein Auswahlmechansimus geschaffen, der feministische und queere Ansätze aus dem Mainstream-Kino ausschließt. Gender Trouble? Bloß nicht. Filme von Frauen werden gerne in die Nische des sogenannten Frauenfilms – schon das Wort ist scheußlich – gedrängt und mit kleinem Budget ausgestattet. Immer noch mangelt es Frauen an Verbindungen. Mit einem in seinem Chauvinismus – hoffentlich! – überzeichneten Produzenten wie Wendlandt, der die lesbische Regisseurin während eines Interviews als eine »vom anderen Ufer« diffamiert, wird sich daran auch nicht viel ändern.
Auch herablassende Redakteurinnen wie jene auf der schicken »Arte«-Yacht, die der Nachwuchsregisseurin mit Herablassung begegnet, tragen sicher nicht zu einer Verbes­serung der Situation von Frauen im Filmgeschäft bei.
So sitzen die beiden Streithähne, die sich in pointierten Dialogen die Bälle zuspielen, am Pool herum und flirten mit weiblichen Randfiguren des glamourösen Festivals um die Wette. Schönheitsoperationen sind für die Pool-Beautys ein Karrieremodell und gehören zum täglichen Geschäft.
Natürlich könnte man einwenden, dass sich der Film mit seinem Geplänkel zwischen Regisseurin und Produzent und vielen öden Partyszenen, in denen aufstrebende Filmschaffende Platitüden von sich geben, unnötig in die Länge zieht und seine Intension, die Kritik am Filmpatriarchat, aus den Augen verliert. Die Bilder, die an die Dogma-95-Filme erinnern, geben jedoch einen spannenden Einblick in ein Festival, auf dem es um Seilschaften, Geldbeschaffung und das Zeigen nackter Haut geht.
Selbstironisch endet das Filmexperiment mit den Worten: »Vielleicht sollten wir mal ins Kino gehen«, wo das geneigte Publikum hoffentlich in naher Zukunft gleichermaßen individuelle Filme von Frauen und Männern zu sehen bekommt. Auf die Filme von Isabell Šuba darf das Publikum auf jeden Fall gespannt sein.

»Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste« (D 2013). Regie: Isabell Šuba, Darsteller: Anne Haug, Matthias ­Weidenhöfer. Start: 14.  August