Ryanjacket

Gern lacht man in diesem Land über die DDR und die Wiesel- und Hamsterwut ihrer Bürger, ihren unbedingten Willen, den Mangel zu überlisten, und ihre Versorgung selbst zu organisieren. Doch geht’s in ihrem Nachfolgestaat, wo Professoren am Wochenende lange Autofahrten unternehmen, um den günstigsten Tankstellenwein zu kaufen, keinen Deut besser zu: Jeder will das System überlisten, jeder Transaktion noch einen Extracent abpressen. Nun haben die Sparbürger einen Weg gefunden, mit der Billig-Airline zu fliegen, ohne jedoch auf die Mitnahme des für den deutschen Ferntouristen üblichen Riesenbergs an Gepäck zu verzichten: Das Bagket, eine Kombination aus Weste und Tasche, die aussieht wie ein tragbarer Schlafsack, ermöglicht es, in ihren sechs Taschen bis zu zehn Kilogramm Geraffel an den Handgepäcksbestimmungen vorbeizuschleusen. Zwar sieht man damit aus wie ein Clown, aber wen es schon überanstrengt, beim Kofferpacken einen sinnvollen Kompromiss zu finden, der ist wahrscheinlich auch einer. Der größte Absatzmarkt des britischen Produkts ist natürlich unser liebes Deutschland, wo stolze Hässlichkeit und obsessive Rationalität jeden Tag neu Hochzeit feiern. Überhaupt deutet sich damit ein neuer Trend an: Funktionskleidung, die nicht mehr aufs Outdoor-Überleben, sondern auf den urbanen Alltag zugeschnitten ist. Northface-Jacken mit ausklappbarem Spaghetti-Latz und Patronengurt für zusätzliche Handyakkus sind vielleicht schon in Planung, Ellenbogenaufsätze mit Spikes zum entschlossenen Eintritt in Warteschlangen nur noch Formsache. Sprach aus der Trekkingkleidung noch das bl0ße Misstrauen gegen eine Zivilisation, die dem Gefühl nach von einem Moment auf den anderen enden konnte, geht es nun um den aktiven Kampf. Immerhin: mit vollen Taschen.