Schirri hatte recht!

Allmählich wurde es dem Herausgeber der FAZ zuviel: Auf Youtube erschienen jeden Monat mehr Videos, als ein Mensch im Leben gucken kann. Schon Menschen mit mittlerem Mail-Aufkommen war es unmöglich, diese sinnvoll zu archivieren. Und selbst die so papierverliebte Buchmesse produzierte jedes Jahr mehr Titel, als sie Goethe in der Mediathek von Weimar leihen konnte. Frank Schirrmacher sel. ließ uns mit dem stetig wachsenden Datenberg allein. In dem es aber gärt und brodelt: Seit Schirri das Internet nicht mehr scannt und in Kommentare gießt, wird es allmählich unruhig. Schließlich wollen Bücher gelesen, Videos geguckt werden, ansonsten existieren sie nur geisterhaft, untot. Und so war ich nur halb überrascht, als mein Handy mich neulich daran erinnerte, dass ich ein vor wenigen Wochen gekauftes E-Book noch nicht angerührt hatte. »Sie haben kürzlich gekauft«, stand in der Nachricht, gleich neben der Spiegel-Eilmeldung. Dieses Buch schrie nach Aufmerksamkeit! Es reichte ihm nicht, nur gekauft worden zu sein; es wollte gelesen und verstanden werden, sich in meine Neuronen einpflanzen, sich dort festfressen und Ableger in die Welt hinauswinden. Natürlich habe ich den unverschämten Text erst recht links liegen lassen – doch schwant mir, dass er bereits seine nächsten Schritte plant. Eventuell wird das Buch sich beim Radiohören plötzlich selbst vorlesen, sich vielleicht in die Tagesschau-App hineinschreiben (Alarmierender Trend: Leo Fischer liest zu wenig). Womöglich schreibt es sich gar selber um, um mir größere Anreize zu geben, baut vielleicht noch eine Atombombe oder eine homoerotische Szene ein. Am Ende liest es sich sogar selbst – und legt mich in den Papierkorb.