Portale für Amateurfußball werden immer häufiger genutzt

Bratwürste fürs Politbüro

Der Deutsche Fußball-Bund versucht, unliebsame Konkurrenz für sein Amateur­fußball-Portal mit zweifelhaften Mitteln loszuwerden.

Ein »besonderer Tag für den Amateurfußball in Deutschland« sollte es werden, »eine neue Heimat im Internet« wurde den Hobbykickern versprochen. Dort habe man »eine Präsenz kreiert, die ihresgleichen sucht«. So wurde der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) Wolfgang Niersbach in einer Pressemitteilung seines Verbandes zitiert. Anlass: der Relaunch der Seite fussball.de.
Die war bis dahin im Auftrag des DFB von der Deutschen Telekom ziemlich lieblos betrieben worden und bot ihren Nutzern im Wesentlichen einen einzigen Wert: Sie zeigte deutschlandweite Ergebnisse und Tabellen aller Fußballligen – bis hinunter in die Kreisklassen, inklusive Frauen- und Jugendfußball. All das also, was für die Betreiber großer Fußball-Onlineportale nicht so richtig attraktiv erschien, weil nur der Profifußball, also die Männer-Bundesliga, und dazu vielleicht noch die 2. und 3. Liga lohnende Klickzahlen versprachen. Das sah man beim DFB offenbar ähnlich, befassten sich viele redaktionelle Beiträge auf der Startseite von fussball.de doch lieber mit dem Profifußball.
In den vergangenen Jahren allerdings kam es zu zwei Entwicklungen, die den DFB mit Blick auf fussball.de zum Umdenken brachten. Zum einen zeigten andere Portale, dass auch der Amateurfußball interessant sein kann – attraktive Klickzahlen inklusive. Allen voran FuPa.net, das, 2006 in der Region Passau gestartet (FuPa steht ursprünglich für Fußball Passau), ungemein erfolgreich wurde. 2010 wurde Gründer Michael Wagner für FuPa mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet.
»Wir behandeln Amateure wie Profis«, erklärt Wagner sein Konzept. FuPa.net bietet Torjägerlisten, Spielerprofile, individuelle Statistiken und von vielen Partien sogar Liveticker. Jede Woche gibt es Neuerungen, mit denen die Wünsche der Nutzer erfüllt werden. Denn darin besteht vermutlich das Erfolgsgeheimnis von FuPa: die Nähe zu den Usern, also Trainern, Spielern, Fans, die sich dort austoben können – aus Liebe zu ihrem Verein. Und aus freien Stücken. Inzwischen wird das Portal praktisch in ganz Deutschland genutzt, in Kooperation mit regionalen Verlagen bedient FuPa Bedürfnisse, die der DFB offenbar nicht einmal erkannt hatte.
Andere Plattformen, etwa die aus Österreich stammende Website fanreport.com oder das von der Verlagsgruppe Madsack betriebene sportbuzzer.de, begannen ab 2013, das FuPa-Konzept zu kopieren.
Und auch der DFB, der Frankfurter Verbandsgigant, Wikipedia zufolge mit fast sieben Millionen Mitgliedern der angeschlossenen Vereine der größte nationale Sportfachverband der Welt, beginnt zunehmend, seine Produkte zu kommerzialisieren. Das ist die zweite Entwicklung.
Doch was ist das Produkt eines gemeinnützigen Fußballverbandes, der doch eigentlich dazu da ist, die Interessen seiner Mitglieder zu vertreten? In der Frankfurter DFB-Zentrale scheint man es eher umgekehrt zu sehen: Die Männer, Frauen und Kinder, die allwöchentlich zum Spaß, als Hobby, ihren Sport betreiben, kreieren mit ihren Teams, Ligen, Spielen, Tabellen und so weiter ein Produkt, das zu vermarkten einzig dem DFB und seinen Regional- und Landesverbänden zukommt. Das wurde bereits vor einigen Jahren deutlich, als der Württembergische Fußballverband dem Portal hartplatzhelden.de die Veröffentlichung von Videoberichten über Amateurfußballspiele im Internet verbieten wollte und dazu bis vor den Bundesgerichtshof zog – und verlor.
Nun begann der DFB zunächst eine riesige Kampagne unter einem Motto, das Michael Wagners »Wir behandeln Amateure wie Profis« zu kopieren sein scheint: »Unsere Amateure, echte Profis.« Und gewissermaßen als Krönung des neuen Images – »selbstlos, authentisch und stolz« heißt es in der Kampagne – gab es nun den Relaunch von fussball.de. Total authentisch für mehrere Millionen Euro von der Werbeagentur Jung von Matt designt.
Doch möglicherweise hat es der DFB inzwischen überzogen. In den Medien hagelte es Kritik, an der Basis wurde der Unmut immer lauter. So sah man bei dem Braunschweiger Magazin Abseits in der DFB-Kampagne nur den ersten Schritt »eines perfiden Marketingplans«. Berichtet wird von einem Referat des Abteilungsleiters PR des DFB, Stephan Brause, in Niedersachsen. »Wir wollen das angeschlagene Image des Amateursports ins rechte Licht rücken und mehr ins Schaufenster stellen«, erklärte Brause demnach. Beim Abseits-Magazin schrillten da die Alarmglocken: »Spontan frage ich mich: Welches angeschlagenes Image? Der Amateursport ist die letzte Bastion einer ursprünglichen Idee, die Poniere wie Konrad Koch einst hatten. Was nun folgt, macht mich sprachlos und offenbart: Hier geht es nicht nur um ein ›angeschlagenes‹ Image. Hier geht es auch um Geld und Macht.«
Dem Konkurrenzportal FuPa wirft der DFB-Vertreter Abseits zufolge »Datendiebstahl« vor. Umgekehrt wird wohl eher ein Schuh draus. Jahrelang hat der DFB verschlafen, was für tolle Sachen man mit fussball.de anstellen könnte. Als private Konkurrenten das Potential demonstrierten, bediente man sich bei deren Ideen und versucht nun, die Konkurrenz mit den Mitteln des Monopolisten zu zermalmen.
Jüngstes Beispiel: Auf der technischen Grundlage von fussball.de versucht der Bayerische Fußball-Verband (BFV), und demnächst wohl auch der des Niederrhein, flächendeckende Liveticker von Amateurspielen durchzusetzen. Bei 30 Euro Strafandrohung im Falle der Nichtumsetzung durch die dazu verpflichteten Vereine. Auch wenn der BFV das so natürlich nicht verstanden wissen will, an der Basis kommt es so an: »Ganz ehrlich, so viele Bratwürste könnten wir gar nicht verkaufen«, sagte Robert Eckerl vom bayerischen Landesligisten SC Kirchheim im Interview mit 11 Freunde. »Hier geht es darum, den Online-Service sicherzustellen und nicht darum, jemanden zu bestrafen. Dafür würde eine Aufwandsentschädigung von 30 Euro in Rechnung gestellt«, heißt es in einer Rechtfertigung des BFV. Diese Kosten könne sich jeder Verein aber ganz einfach sparen, indem er seine Heimspiele selbst tickert. »Für die Vereine klingt das nach Dialektik aus dem Politbüro«, kommentierte Zeit online.
An der Basis scheint inzwischen vielerorts jegliches Vertrauen in die Verbände verloren gegangen zu sein. Obwohl seitens des DFB immer wieder betont wird, dass man die ganzen Kampagnen und Onlinestrategien doch nur im Interesse des Amateuerfußballs betreibe, überwiegt dort die Skepsis. So verweist Robert Eckerl auf die finanzielle Diskrepanz zwischen Profis und Amateuren: »Ich finde es unfassbar, wie viel Geld heute im Profifußball umgesetzt wird. Doch an der Basis ist davon so gut wie nichts zu spüren.« Regionale Sponsoren zögen sich teilweise zurück und die Profiligen spielten mittlerweile über den ganzen Sonntag verteilt – einst der Tag, der dem Amateurfußball vorbehalten war. Wenn die Hobbykicker dann an Ort und Stelle schon keine Zuschauer mehr haben, können sie sich ja mit ihrer neuen »Heimat im Internet« trösten.