Klimacamp in Brandenburg

Dörfchen in die Grube

In Brandenburg möchte der Energiekonzern Vattenfall die Kohleförderung ausbauen. Mit einem Klimacamp protestierten kürzlich Dorfbewohner und Umweltschützer dagegen. Auf die Hilfe der Linkspartei konnten sie bislang nicht zählen.

»Wir lassen uns nicht aus unserem Dorf vertreiben!« Energisch sagt Roland Lehmann diesen Satz. Er ist der Ortsvorsteher von Kerkwitz, einem kleinen Dorf in der Nähe von Guben in Brandenburg. Der ruhige Ort mit seinen 500 Einwohnern ist umgeben von Wäldern und den Feldern der Bauern des Dorfes.
Wenn es nach Plänen des Energiekonzerns Vattenfall geht, soll es mit dieser Beschaulichkeit in wenigen Jahren vorbei sein. Er will das Dorf dem Erdboden gleichmachen, weil unter Kerkwitz Braunkohle liegt. Diese soll dann im Tagebau gefördert werden, genau dort, wo derzeit noch die Kerkwitzer leben. Den Antrag für das Vorhaben hat Vattenfall bereits vor einigen Jahren bei den Brandenburger Landesbehörden eingereicht, eine Entscheidung wurde aber noch nicht gefällt.
Lehmann ist entsetzt darüber, dass in Zeiten der erneuerbaren Energien noch ganze Dörfer für Kohletagebaue verschwinden sollen. »Das ist doch Wahnsinn. Die Kohle wird gar nicht wirklich benötigt für die Sicherung der Energieversorgung, wie Vattenfall behauptet, sondern es geht nur um den Profit des Energiekonzerns, ohne Rücksicht auf Umwelt, Klima und Natur. Und mit der von Frau Merkel verkündeten Energiewende ist das überhaupt nicht vereinbar«, sagt er.

Deshalb protestieren die Bürger von Kerkwitz und deren ebenfalls bedrohten Nachbardörfern Atterwasch und Grabko bereits seit mehreren Jahren gegen das Vorhaben des Unternehmens. Und deshalb fand kürzlich ein internationales Klimacamp in Kerkwitz statt, dessen Teilnehmer sich für den Erhalt der »Kohledörfer« einsetzten. Auch das Problem des Tagebaus in der sächsischen Lausitz wurde zur Sprache gebracht. In der Region betreibt Vattenfall mehrere Braunkohle­tagebaue. Erst vor wenigen Monaten erteilte das Land Sachsen dem Unternehmen die Genehmigung für den neuen Tagebau Nochten II. Damit sehen über 1 500 Menschen in der sächsischen Lausitz der Einebnung ihrer Dörfer und der Umsiedlung entgegen.
»Dieser Vernichtung von Dörfern und der Umwelt muss endlich Einhalt geboten werden«, forderte Antje Kirchner, die dem Organisations­team des Klimacamps angehört. »Die Folgen des Kohleabbaus sind verheerend: Intakte Landschaften werden zerstört, Menschen werden aus ihren Dörfern vertrieben und seelisch kaputtgemacht. Und der massive Ausstoß von Kohlendioxid aus Braunkohlekraftwerken schadet dem Klima und gefährdet ebenfalls die Gesundheit der Menschen«, fügte sie hinzu.
Über 500 Teilnehmer aus Deutschland und anderen Ländern kamen zum Klimacamp. Sie besuchten Workshops zum Thema und wurden auf Exkursionen mit der Gegend bekannt gemacht, die bereits von einem nahe gelegenen Kohletagebau geprägt und geschädigt ist.
Zudem bildeten die Teilnehmer und zahlreiche Interessierte eine Menschenkette von Kerkwitz bis nach Grabice im benachbarten Polen – als Protest gegen geplante Kohletagebaue diesseits und jenseits der Grenze. Denn auch in Polen gibt es Pläne für einen neuen, großen Kohletagebau.
Antje Kirchner zeigte sich zum Abschluss begeistert: »Insgesamt 7 500 Menschen beteiligten sich an der Antikohlekette und setzten damit ein deutliches Zeichen gegen die Pläne von Vattenfall und für den Klimaschutz. Auch aus Berlin und sogar aus Bayern kamen Umweltschützer angereist mit Bussen, in aller Hergottsfrühe aufgestanden, um mittags in Kerkwitz zu sein. Sogar Busse aus Tschechien und aus den Niederlanden kamen an, dazu sehr viele Bürger, die am Freitag und Samstag per Zug anreisten, um bei der Menschenkette dabei zu sein.« Überwältigt war Ortsvorsteher Lehmann: »Ich bin zutiefst beeindruckt davon, wie viele Menschen an der Antikohlekette teilgenommen haben und uns damit ihre Solidarität gezeigt haben. Denn es ist nicht leicht gegen einen solch übermächtigen Konzern wie Vattenfall zu kämpfen, zumal dieser massiv von der Landesregierung unterstützt wird. «
Empört sind hingegen viele über die Linkspartei in Brandenburg. Denn während die Bundespartei sich in der Opposition gegen neue Kohletagebaue ausspricht, unterstützen die Landespartei und ihre vier Minister in der Brandenburger Landesregierung die Pläne von Vattenfall. Dabei sprach sich auch die Linkspartei in Brandenburg noch vor wenigen Jahren gegen neue Tagebaue aus und unterstützte sogar ein Volksbegehren gegen solche Vorhaben. Doch das war 2007 und 2008, als sich die Partei in der Opposition befand. Als der damalige Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) nach der Landtagswahl 2009 der Linkspartei die Regierungsbeteiligung anbot, beugte sie sich dem Willen der SPD. Platzeck hatte die Zustimmung zu neuen Tagebauen zur Bedingung für eine rot-rote Koalition gemacht.

Das nehmen viele Wähler der Linkspartei immer noch übel. Greenpeace protestierte deshalb erst vor wenigen Wochen an und in der Bundesgeschäftsstelle der Linkspartei in Berlin. Tagelang hing ein großes Plakat mit der Aufschrift »Die Linke – 100 % unglaubwürdig« an der Fassade.
Auch auf dem Klimacamp wurde das servile Handeln der Brandenburger Linkspartei heftig kritisiert. Mit Spannung wird daher die Landtagswahl in Brandenburg am 14. September erwartet. »In der Opposition setzt sich die Linkspartei oft für soziale und ökologische Ziele ein. Aber sobald diese Partei mit an der Macht ist, wird sie genauso skrupellos und bürgerfeindlich wie die SPD und CDU«, sagt Antje Kirchner enttäuscht. In Anspielung auf die Politik der Linkspartei hatte die Piratenpartei in Kerkwitz Wahlplakate aufgehängt mit dem Slogan: »Keine neuen Tagebaue! Nicht linken lassen!«