Ein Dienstag im August

Die Ecke, an der im Berliner Stadtteil Friedrichshain die Scharnweberstraße in die Gürtelstraße mündet, ist eigentlich kein Ort, an dem Menschen länger verweilen. Doch seit dem 26. August befindet sich dort ein Antirassismus-Camp. Tag und Nacht halten Menschen Wache und verteilen Flugblätter, mit denen sie ein Bleiberecht für die Geflüchteten in Berlin fordern. Von Zeit zu Zeit stimmen sie Sprechchöre an. Damit wollen sie neun Menschen unterstützen, die seit dem 26. August auf dem Dach eines ehemaligen Hotels in der Gürtelstraße ausharren. Bis vor ein paar Monaten gehörten diese zu den Bewohnern des Camps auf dem Oranienplatz in Kreuzberg, das im Zuge der bundesweiten Refugee-Proteste entstanden war. Ihre Zelte hatten sie im April freiwillig gegen eine Unterbringung in einem ehemaligen Hotel getauscht. Sie hatten auf die Zusage von Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) vertraut, ihre Asylverfahren würden erneut überprüft. Ende August wurde ihnen mitgeteilt, dass alle Anträge abgelehnt worden seien. Die Flüchtlinge wurden aufgefordert, ihre Unterkünfte binnen weniger Stunden zu verlassen. Dabei waren sie, nachdem sie das Camp auf dem Oranienplatz selbst abgebaut hatten, für ihre Konstruktivität gelobt worden, weil sie bereit waren, in diese Unterkünfte zu ziehen. An der Gürtelstraße sprechen nun auch Geflüchtete, die Kolats Kompromiss damals abgelehnt haben, den Dachbesetzern in verschiedenen Sprachen Mut zu. Seit Tagen sorgt die Polizei dafür, dass keine Lebensmittel zum Haus gebracht werden. Die Unterstützer werden mit Essen und Getränken aus der Nachbarschaft versorgt. Auch in der direkten Umgebung hängen Transparente, die Bewohner solidarisieren sich mit den Dachbesetzern. Doch ob der Druck berlinweit größer wird, damit der Senat zumindest die eigenen Zusagen einhält, ist unklar. In den Medien wird derzeit mehr über die Rücktrittsankündigung des Bürgermeisters als über den Kampf der Refugees berichtet.