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Liebe Leserinnen und Leser in Österreich, immer müssen Sie lesen, was die deutsche Linke hier macht und da denkt und was alles so schlimm ist in dieser postfaschistischen Bundesrepublik Deutschland. Doch endlich denkt die Jungle World auch einmal an Sie! Und dann wollen wir auch noch nachvollziehen, wie Sie eigentlich denken. Es ist ja kein Geheimnis mehr: Nächste Woche geht’s mit der Jungle-Familie nach Wien – die Doppelsonderausgabe aus Österreich steht bald darauf bevor. Das wird sich schon ausgehen, behaupten wir mal.
Was Sie außer schlecht gekonnten Anbiederungen ans Österreichische noch erwarten wird, bleibt zunächst eine Überraschung, aber jede Menge Kritik, Koks und Komik werden auf jeden Fall dabei sein. Wir sind ja schon urnervös, denn leicht wird die Aufgabe nicht. Während wir in den meisten Ländern, die wir für unsere Auslandsausgaben bereisten, davon ausgehen konnten, dass uns eh kaum jemand kennt und lesen wird, haben wir uns mit Österreich ein schwieriges Terrain ausgesucht. Dort wird uns genau auf die Zeilen geschaut, wird jeder kleine Fehler sofort bemerkt werden von Kennerinnen und Kennern des österreichischen Politik- und Kulturkosmos. Langweilen wollen wir unsere Fans und Feinde in Österreich bloß nicht, die Themen dürfen also nicht zu ausgelutscht sein und die Texte nicht nur Basiswissen auf A1-Niveau des Österreichischen ausbreiten. Jessas!
Aber Sie, liebe Leserinnen und Leser im Rest der Welt und weniger Bewanderte in der Beschaffenheit des Ösi-Landes, sollen ja auch nicht plötzlich vor einer steilen Gebirgswand aus voraussetzungsreichem Österreich-Nerdtum stehen und die Zeitung genervt wieder in den Mistkübel stopfen. Nur nicht narrisch machen lassen! Ein Blick ins Archiv der Jungle World der vergangenen Monate zeigt, dass es durchaus häufiger Artikel mit Bezug auf Österreich gab und dass es dort mindestens genauso schrecklich zugeht wie in Deutschland: Da wird unter anderem Antifaschisten der Prozess gemacht, Israelis werden antisemitisch beschimpft, Flüchtlinge schikaniert und Rechtspopulisten feiern Erfolge – und Kapitalismus soll es dort auch noch geben. Das kennen Sie sicher irgendwoher, wird also alles gar kein Problem mit dem Verständnis und dem Kulturtransfer. Und die Redaktion der Jungle World wird sich vermutlich auch prima zurechtfinden. Ach, da entspannen wir uns schon wieder ein bisschen und kleckern nicht mehr so mit dem Kaffeehäferl vor lauter Aufregung.