Das Dilemma von François Hollande

Zu wenig, zu spät, zu teuer

Der französische Präsident François Hollande scheitert daran, dass er gleichzeitig sparen und die Konjunktur fördern will.

François Hollande hat beste Aussichten, eine tragische Figur zu werden. Die Popularitätswerte des französischen Präsidenten sinken auf Rekordtiefe und auch die Regierungsumbildung von vergangener Woche wird ihn kaum retten. Angetreten war Hollande mit dem Anspruch, gemeinsam mit anderen europäischen Sozialdemokraten die deutsche Sparpolitik wenn nicht zu beenden, so doch zumindest deutlich abzumildern. Damit ist er bislang gescheitert.
Seit er im Amt ist, hält die deutsche Kanzlerin Angela Merkel unbeirrt an ihrem Mantra fest. Demnach müssen zuerst Strukturreformen erfolgen, bevor neue Schulden möglich sind. Rücke man vom Sparkurs ab, wie es vor allem südeuropäische Staaten fordern, gibt es nach Meinung der deutschen Regierung keine Anreize mehr für harte Reformen. Werden diese Vorgaben aber weiter umgesetzt, rutsche die französische Wirtschaft erst recht in die Rezession ab, meinen hingegen Merkels Kritiker. Frankreich sollte sich nicht an den »maßlosen Obsessionen der deutschen Rechten« ausrichten, forderte Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg, kurz bevor er aus dem Kabinett Hollandes geworfen wurde. Frankreich müsse eine Alternative zu dieser »destruk­tiven Ideologie« anbieten. Wenn man so will, droht Hollande an Merkel zu scheitern.
Bislang versuchte der französische Präsident, beide Positionen zu kombinieren. Einerseits will er sparen und propagiert eine unternehmerfreundliche Wirtschaftspolitik. Andererseits fordert er unentwegt umfangreiche EU-Konjunkturprogramme, die sich mit Merkels Sparkurs kaum vereinbaren lassen. Zu wenig, zu spät, zu teuer: Hollandes Dilemma besteht darin, dass beide Optionen keine Aussicht auf Besserung bieten. Bei einer Staatsverschuldung von über zwei Billionen Euro fällt das geplante Sparvolumen von 50 Mil­liarden Euro, verteilt über drei Jahre, kaum ins Gewicht. Aber es ist groß genug, um Massenproteste zu provozieren. Die geplanten Strukturreformen wirken vielleicht in einigen Jahren, doch für die Beschäftigen sind die negativen Folgen sofort zu spüren. Und von EU-Konjunkturprogrammen ist nicht viel zu sehen. Werden sie eines Tages tatsächlich realisiert, wird sich Hollande wohl nicht mehr im Amt befinden.
Vor allem aber versucht sich die französische Regierung just zu einem Zeitpunkt aus ihrem Dilemma zu befreien, an dem die Euro-Krise wieder eskaliert. Im August stiegen die Preise im Euro-Raum um 0,3 Prozent, was einer Deflation sehr nahe kommt. Den hoch verschuldeten Euro-Staaten stehen kaum Mittel zur Verfügung, um darauf zu reagieren. Wenn überhaupt, könnte nur die Europäische Zentralbank intervenieren. Deren Präsident Mario Draghi hat kürzlich auf einem Treffen von Notenbankern angedeutet, wie neue Schulden zu finanzieren wären – sehr zum Missfallen der deutschen Regierung.
»Merkel verfolgt in Europa eine völlig falsche Politik. Der von ihr verordnete Sparkurs wird die Euro-Zone in die Depression schicken«, sagte der US-Ökonom Erik Maskin vorige Woche auf dem Treffen von Nobelpreisträgern in Lindau in Anwesenheit der Bundeskanzlerin. Sie könne nicht verstehen, warum man sich für Wachstum immer verschulden müsse, erwiderte Merkel. Eine Antwort, die Hollande nicht helfen wird.