Die Niederlage der NPD in Sachsen

Zurück ins Dorf

Die Niederlage bei der sächsischen Landtagswahl fügt der NPD gehörigen Schaden zu. Dennoch ist die Partei nicht am Ende.

»Alle juristischen Mittel ausschöpfen« – dieses Vorhaben kündigte die NPD-Fraktion am Montag voriger Woche nach der Auszählung der Stimmen zur sächsischen Landtagswahl in einer Pressemitteilung an. Es gehe darum, »durch eine Neuauszählung das wirkliche Wahlergebnis zu erfahren«. Auch wenn die Parteiführung weiß, dass sie mit einer Neuauszählung nichts erreichen wird und die NPD nicht wieder in den Landtag einzieht, ist die Aussage eine wichtige Botschaft an die Parteibasis. Schließlich muss diese irgendwie bei Laune gehalten werden.

In den vergangenen zehn Jahren hat die NPD mehr als 100 000 Wähler in Sachsen verloren. Nach unzähligen Querelen und Skandalen, die ihren Höhepunkt im Sturz des Fraktions- und Bundesvorsitzenden Holger Apfel Ende 2013 fanden, haben sich zahlreiche Anhänger von der Partei abgewendet. Dass sie allerdings mit einem derart knappen Ergebnis aus dem Landtag ausscheiden könnte, hatten nur wenige Beobachter vermutet. Gerade einmal 809 Stimmen fehlten den Neonazis. Bis kurz vor Mitternacht blieb die NPD in den Hochrechnungen knapp über der Fünf-Prozent-Hürde. Erst die Auszählung der letzten Wahlkreise in den Großstädten Dresden und Leipzig besiegelte ihre Niederlage.

Erwartungsgemäß erwiesen sich die Neonazis als schlechte Verlierer. In den sozialen Netzwerken gratulierten die Anhänger am Abend zunächst noch, doch bereits in der Nacht war dann von Wahlbetrug die Rede. Die Verzweiflung ist durchaus nachvollziehbar. Durch den Verlust des Fraktionsstatus wird die NPD zukünftig auf mehr als zwei Millionen Euro jährlich verzichten müssen, die sie und ihre Abgeordneten in Sachsen erhalten hatten. Mehr als 30 Mitarbeiter werden in den kommenden Tagen in die Arbeitslosigkeit entlassen. Darüber hinaus müssen die Landtagsabgeordneten der NPD bis Ende des Monats ihre Räume im Landtag verlassen.

Die geringsten Zukunftssorgen müssen sich die ehemaligen Abgeordneten machen. Für jedes Jahr ihrer Parlamentsmitgliedschaft erhalten sie einen weiteren Monat ihre Bezüge. Diejenigen, die über zwei Legislaturperioden im Landtag vertreten waren, können auf eine stattliche und sichere Abgeordnetenrente zurückgreifen. Fraglich ist derzeit, was mit den ehemaligen Fraktionsmitgliedern passieren wird, die auch im NPD-Bundesverband Posten bekleiden und in den vergangenen Jahren nach Dresden gezogen sind. Nur die Hälfte der Mandatsträger kommt ursprünglich aus Sachsen. Unter den Mitarbeitern ist die Quote noch deutlich geringer. Die sächsische Landtagsfraktion wurde insbesondere dafür genutzt, bundesweit wichtige Personen aus der Jugendorganisation und der Partei in Lohn und Brot zu bringen. Auf diese hauptamtlichen Kader muss die NPD zukünftig verzichten.

In den Online-Kommentarspalten von Zeitungen und Rundfunkanstalten in Sachsen bekundeten zahlreiche Personen ihre Freude über die Niederlage der NPD. Die Gründe für die Freude waren manchmal jedoch fragwürdig. Ein Leser der Leipziger Volkszeitung schrieb exemplarisch, dass die »Neonazi-Hysterie der Medien« nun ein Ende habe und zukünftig niemand mehr behaupten könne, Sachsen sei eine »Neonazi-Hochburg«. Der konservative Dresdner Politikwissenschaftler Werner Patzelt sagte, man könne nun endlich sehen, »dass die NPD wahrlich kein zentrales Problem deutscher Innenpolitik ist«.

Beobachter weisen hingegen auf die neonazistische Verankerung außerhalb des Landtags hin. Nach Einschätzung des Antifa-Recherche-Teams (ART) Dresden ist die NPD keineswegs erledigt. »Die NPD verfügt in Sachsen über fast 100 Kommunalsitze. Das ist ein Drittel aller NPD-Mandate bundesweit. Sie ist in allen Kreistagen vertreten. Darauf kann sie sich in den nächsten Jahren konzentrieren und sie kann versuchen, ihre kommunale Verankerung weiter auszubauen«, sagte Simone Ritter vom ART der Jungle World. Darüber hinaus sei damit zu rechnen, dass die NPD noch stärker und offener auf emotionalisierbare Themen setze, diese rassistisch auflade und auf der Straße Präsenz zeige. Bewiesen hat die Partei dies bereits Ende August in Bautzen, wo über 600 Neonazis und ihre Anhänger gegen eine Flüchtlingsunterkunft demonstrierten.

Sachsen ist nach wie vor ein Bundesland mit überdurchschnittlich vielen rechten Gewalttaten. Zudem haben bei der Landtagswahl immer noch mehr als 81 000 Menschen ihre Stimme der NPD gegeben. Kommunal fest verankert ist die Partei nach wie vor im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, wo sie in etlichen Gemeinden zweistellige Ergebnisse erreichte. Thomas Sattelberg, verurteilter Rädelsführer der verbotenen kriminellen Vereinigung »Skinheads Sächsische Schweiz« (SSS), der ehemalige Landtagsabgeordnete Johannes Müller und der NPD-Kreisrat Michael Jacobi aus Reinhardtsdorf-Schöna sind nur einige Personen mit langjähriger und gefestigter kommunaler Verankerung in dieser Region.

Ihren Höchstwert innerhalb eines Wahlkreises erreichte die NPD im ostsächsischen Bautzen, wo sie über zehn Prozent der Stimmen erhielt. Dort sorgt die junge NPD-Stadträtin Daniela Stamm für eine hohe regionale Anbindung. Doch auch in den Landkreisen Erzgebirge, Nordsachsen und Meißen konnte die Partei deutlich mehr als fünf Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Etwa 13 000 Stimmen hat die NPD in Sachsen an die rechtspopulistische »Alternative für Deutschland« (AfD) verloren. Diese zog mit knapp zehn Prozent der Stimmen in den Landtag ein und wird dort mit 14 Abgeordneten vertreten sein.

Auffällig ist: Die AfD erzielte in den gleichen sächsischen Regionen gute Ergebnisse wie die NPD und erreichte dort nahezu durchgehend zweistellige Prozentzahlen. Unter den zukünftigen AfD-Abgeordneten sollen Medienberichten zufolge auch Personen sein, die in der Vergangenheit extrem rechten Kleinstparteien und Vereinigungen angehörten oder Kontakte zu diesen unterhielten. Beobachter rechnen damit, dass diese Tendenz sich im Mitarbeiterstab noch stärker zeigen wird und auch Personen aus neurechten Kreisen nach Dresden ziehen könnten.

Das Personal der AfD könnte allerdings bald die Möglichkeit haben, zudem Potsdam oder Erfurt als zukünftige Wirkungsstätte zu wählen. Ein Einzug der Rechtspopulisten in die Landtage in Brandenburg und Thüringen gilt als wahrscheinlich. Die NPD hat dort hingegen keine guten Aussichten. In Thüringen fielen Parteimitglieder in den vergangenen Monaten durch zahlreiche Rechtsrock-Veranstaltungen auf und sollen Ende August Wahlkampfstände der Linkspartei angegriffen haben. In Brandenburg »kontrollierten« einige NPD-Funktionäre für einige Stunden »symbolisch« den deutsch-polnischen Grenzübergang in Coschen, um für »mehr Polizeipräsenz an der Grenze« zu werben. All dies kann der Partei dabei helfen, ihre ideologisch gefestigte neonazistische Anhängerschaft zu mobilisieren. Dass sie damit die rechten Wähler in der Bevölkerung erreichen kann, die notwendig sind, um die Fünf-Prozent-Hürde zu überschreiten, gilt allerdings als sehr unwahrscheinlich.