Das Verhältnis der FPÖ zum Neonazismus

Die Partei für den Narrensaum

Die österreichische Öffentlichkeit hat sich längst an die FPÖ gewöhnt. Doch der rechtsextreme Charakter der Partei zeigt sich ungebrochen in den Verstrickungen mit dem Neonazismus.

Ein Kriterium, um die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) als rechtsextrem zu charakterisieren, stellt ihr Verhältnis zum Neonazismus dar. Dieses ist seit der Abspaltung der neonazistischen Nationaldemokratischen Partei in den sechziger Jahren geprägt von wechselnder Anziehung und Abstoßung. Ohne dass die Verbindungen jemals vollständig gekappt worden wären, hielt die Neonaziszene in den Phasen der vorsichtigen Annäherung der FPÖ an den Nationalliberalismus kritische Distanz zu der Partei.
Nach Jörg Haiders Kür zum Parteivorsitzenden im Jahr 1986 wurden die Verbindungen enger, Mitte der Neunziger distanzierte man sich angesichts des Abrückens der FPÖ von der Deutschtümelei sowie anderer politischer Zugeständnisse aus Anlass der Regierungsbeteiligung von 2000 wieder voneinander. Nach der Abspaltung des Bündnisses Zukunft Österreich und der Rückbesinnung der FPÖ auf ihre Ursprünge und ihre Stammklientel 2005 setzte eine neue Phase der Annäherung ein, die bei aller vereinzelten Kritik von Neonazis an der FPÖ – etwa an ihrer europäischen Bündnispolitik und ihren vermeintlich proisraelischen Volten – immer noch anhält.

Die FPÖ leugnet oder verharmlost in der Regel die politische Betätigung von Neonazis in Österreich, nur selten räumt sie ein, dass diese mehr sind als nur Hirngespinste von »Gutmenschen« oder gar ein Teil des deutschvölkischen »Dritten Lagers«. So bezeichnete der ehemalige Europaabgeordnete Andreas Mölzer Neonazis als den »Narrensaum« des Deutschnationalismus. Während Mölzer, der im Frühjahr 2014 nach rassistischen Ausfällen von der Parteiführung zum Verzicht auf seine Kandidatur bei den Europawahlen gedrängt wurde, wiederholt die glaubhafte Distanzierung der FPÖ vom Neonazismus einforderte, streiten die übrigen Parteikader auf plumpe Weise einfach dessen Existenz ab.
Komplizierter verhält es sich auf europäischer Ebene. Der Parteivorsitzende Heinz-Christian Strache behauptete im Sommer 2013, dass es im Europäischen Parlament keine »extremistischen Parteien« gebe. Ende 2010 hatte die FPÖ bereits die Kontakte zu Parteien wie der ungarischen Jobbik offiziell eingestellt. Auch zu deutschen Neonazis pflegen Parteimitglieder mittlerweile ihre Verbindungen lieber im Verborgenen. So sagte der damalige NPD-Vorsitzende Holger Apfel zum Gerücht, er sei im April 2012 in Wien »auch mit freiheitlichen Mandataren« zusammengetroffen: »Sie werden sicher Verständnis dafür haben, dass ich hierüber Diskretion wahre.«
Insbesondere im Umkreis der Burschenschaften und der FPÖ-Jugendorganisationen kam es im Zuge der Parteispaltung 2005 zu einer neuerlichen Annäherung an den Neonazismus. Auf Veranstaltungen von der FPÖ nahestehenden Korporationen zeigen sich immer wieder Neonazis. Auch zwei der bekanntesten, die Anfang 2013 als Verantwortliche für die neonazistische Homepage alpen-donau.info verurteilten Kader Gottfried Küssel und Felix Budin, waren bis kurz vor ihrer Verhaftung immer wieder im Umfeld der FPÖ anzutreffen, so etwa bei korporierten »Totengedenken« und »Sonnwendfeiern«. Im November 2010 war auf alpen-donau.info zu lesen: »Wir haben in der FPÖ eine Vorfeldorganisation, die uns Unterschlupf gewährt und auf deren Strukturen wir zurückgreifen können.« Als Bindeglied zwischen der Partei und noch weiter rechts stehenden Gruppen dient vor allem das Burschenschaftsorgan Die Aula, das auch NPD-Kadern zur Verbreitung ihrer Weltanschauung offensteht.

Daneben zeigen sich die freiheitlich-neonazistischen Verstrickungen vor allem in den sozialen Netzwerken. Anfang 2013 sorgten mehrere Oberösterreicher für Schlagzeilen. Einer war Fabian Wetter, FPÖ-Ortsparteiobmann und -Gemeinderat in Franking. Er ist gebürtiger Deutscher und war noch 2004 Funktionär der NPD. Seine Gesinnung hat er in Österreich offenbar beibehalten: So bezeichnete er auf seiner Facebook-Seite den Film »Schindlers Liste« als »jüdischen Propagandafilm« und behauptete, der »Zionistische Weltkongress« habe Deutschland 1933 den »Wirtschaftskrieg« erklärt. Ende Dezember 2012 verbreitete Wetter ein Bild der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, auf dem diese einen Davidstern mit der Aufschrift »Zion« trägt und als »Vaterlandsverräterin« bezeichnet wird. Nach Bekanntwerden dieser Postings musste Wetter zurücktreten.
Kurz darauf wurde bekannt, dass der Linzer FPÖ-Funktionär Mario Moser auf seiner Facebook-Seite die Neonaziband Zillertaler Türkenjäger und einen Aufmarsch deutscher Neonazis beworben hatte, woraufhin er aus der FPÖ austrat. Sämtliche politischen Ämter und Parteifunktionen musste im April 2013 auch der Aurolzmünsterer FPÖ-Gemeinderat Michael Gruber aufgeben, da er es unterlassen hatte, die Parteiführung über eine Vorstrafe zu informieren: Er war 2004 zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Gruber hatte zwei Jahre zuvor in einer E-Mail den damaligen wissenschaftlichen Leiter des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstands, Wolfgang Neugebauer, mit dem Tod bedroht. Im Januar 2014 tauchte Gruber dennoch auf der Kandidatenliste der Freiheitlichen Arbeitnehmer zur Wahl der Arbeiterkammer auf. Der Landesobmann der Freiheitlichen Arbeitnehmer, Manfred Pühringer, sprach von einem »Irrtum«. Die FPÖ Ried im Innkreis habe Gruber »versehentlich« gefragt, ob er kandidieren wolle, der Fehler sei jedoch umgehend korrigiert worden.
Im August 2013 flog schließlich eine geschlossene Facebook-Gruppe mit dem Namen »Wir stehen zur FPÖ« auf. Dort wurden Postings veröffentlicht, in denen offen Hitler verehrt wurde, Muslime mit Mord bedroht und Juden wüst beschimpft wurden. Unter den ungefähr 150 Mitgliedern befanden sich zahlreiche FPÖ-Funktionäre, vom Stellvertreter des Bundesparteiobmanns, Johann Gudenus, über zahlreiche Nationalrats- und Landtagsabgeordnete bis hin zu einfachen FPÖ-Mitgliedern. Nach dem Auffliegen der virtuellen Neonazizelle wollten die prominenteren beteiligten Parteimitglieder Postings wie die folgenden nicht gelesen haben: »Der ganze Muslime-Scheißhaufen gehört mit Benzin übergossen und angezündet, die Benzinkosten übernehme selbstverständlich ich.« Im Hinblick auf den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel fragte ein Gruppenadministrator, ob jemand »einen Scharfschützen« kenne, der »könnte viel Arbeit bekommen«. Die Führung der FPÖ reagierte wie stets in solchen Fällen – mit der Umkehr von Täter und Opfer. Generalsekretär Herbert Kickl sprach angesichts der Berichterstattung von einem »Schmuddeljournalismus ohne Substanz« und von einer »konzertierten Aktion von linken Agitatoren im laufenden Wahlkampf«.

Mittlerweile stoßen sich auch einige wenige Abgeordnete der Partei an solchen Vorfällen. Zuletzt sah sich der oberösterreichische Parteiobmann Manfred Haimbuchner im März 2013 gezwungen, Maßnahmen gegen den »rechten Rand« zu versprechen: »Bevor man fragwürdige Leute aufstellt, ist es besser, niemanden aufzustellen. Ich werde aufräumen bei jenen Leuten, die am rechten Rand Probleme machen.« Allerdings hielt Haimbuchner sein Versprechen nicht einmal eine Woche lang: Anfang April 2013 behauptete er, die FPÖ habe kein Problem mit Neonazis, sondern würde nur »von Linksextremisten ständig mit braunem Dreck beworfen«.