Josef Hader im Gespräch über österreichischen Humor

»Ich teile den Humor lieber in gut und schlecht«

Wem Josef Hader nur von der Bühne her vertraut ist, kennt ihn vermutlich als ­liebevollstes Arschloch, das Österreich jemals hervorgebracht hat. Er gilt als berühmtester österreichischer Kabarettist – oder wie er es nennt: »Weltberühmt außerhalb von Österreich.« Seine Bühnenprogramme leben von verschluckten Lachern und entlarvenden Pointen. Von ihm will sich die Jungle World den österreichischen Humor erklären lassen.

Es ist im deutschen Kabarett oft so, dass die Kabarettisten nur eine Ursache einer Begebenheit oder eines Problems benennen und dabei viele Aspekte ausblenden, die ein Thema genauso ausmachen. Dann heißt es beispielsweise »die Merkel und die Regierung sind schuld« anstatt »die Merkel ist schuld, aber nur weil das und jenes eben so ist«. Ist das österreichische Kabarett vielschichtiger?
Das trifft bestimmt beim einen oder anderen Künstler zu. Aber es gibt keine eindeutige Verteilung bestimmter Wesensmerkmale im deutschen und im österreichischen Humor. Ich teile den Humor lieber in gut und schlecht. Es gibt den deutschen Humor ja auch gar nicht, genauso wenig wie es die deutsche Mentalität gibt. Das Deutsche an sich ist ja eine Erfindung des 19. Jahrhunderts, als man ein Kaisertum aus dem Ärmel schütteln musste. Humormäßig ist alles aber noch so wie vor 1871.
Inwiefern?
Im Süden und im Norden, im Osten, im Westen – überall ist der Humor anders. Es gibt ja auch keinen österreichischen Humor. Im Westen ist der Humor ganz anders als der eher von Wien geprägte im Osten. In der Mitte Deutschlands ist mein Humor beispielsweise Avantgarde. In anderen Gegenden bin ich Mainstream. Da merkt man gleich den Unterschied, wenn man in den Saal schaut, wie viele Leute dort sitzen.
Vielleicht liegt es ja an der bestimmten Art des Karnevals beziehungsweise des Faschings? Die Büttenrede dient ja nicht wirklich dazu, Pointen zu setzen, sondern im Kern ist der durch einen Tusch angekündigte Witzschluss dafür da, ein kollektives Klatschen herbeizuführen, eine Art großes Applausschild. In Bayern, Österreich und dem Norden Deutschlands gibt es so etwas ja nicht.
Das stimmt für viele Gegenden Österreichs, aber nicht ganz. In Kärnten zum Beispiel gibt es eine ähnliche Sitzung wie in Köln und auch sie wird im Fernsehen landesweit übertragen. Es kann schon sein, dass dieser Humor etwas Institutionelles hat, aber das liegt vielleicht daran, dass der Karneval eine sehr alte Tradition hat. Der Grundgedanke war aber, glaube ich, dass zu einer Jahreszeit die Untertanen etwas dürfen, was sie sonst nicht dürfen. Das ist ja an sich sympathisch. Man muss aber auch froh sein, dass diese Zeiten vorbei sind, sonst dürften wir Kabarettisten nur ein paar Wochen im Jahr spielen.
Und wie wichtig ist die Sprache, der Dialekt beim Humor? Ich finde, dass man es im weichen Wiener Schmäh einfacher hat, die Grenzen des guten Geschmacks auszuloten. Ist ein Wiener ein totales Superarschloch, fällt das weniger auf.
Im Österreichischen ist es wesentlich einfacher, richtig schlimme Sachen zu sagen. Die weiche Sprache macht den Inhalt ein wenig erträglicher. Das Böse wird stärker abgefedert.
Was war die schlimmste Erfahrung, die Sie während eines Auftritts in Deutschland machen mussten und die Sie mit dem gleichen Gag in Österreich nicht erlebt hätten?
Das war kurz nach dem 11. September. Ich habe in einer passenden Passage improvisiert und gesagt, dass der Anschlag wirklich schrecklich sei, dass aber jedes Jahr sonst auch viele Menschen auf der Welt unnötig ums Leben kommen, und dass man um die auch mal trauern sollte. Da war nach der Pause nur mehr die Hälfte da. In Deutschland war ja damals so eine Trauer, die war, glaube ich, noch größer als die in Amerika. Ganz Deutschland hat sich gefragt, ob man überhaupt je nochmal einen Witz machen wird dürfen. Das hat mich ein wenig herausgefordert. Ich hätt’s aber dort nicht machen sollen, das war Kabarettabo am Niederrhein, das ist nicht die richtige Gegend dafür, humortechnisch. In Österreich wäre da nix passiert, die sind nicht so schnell empört, dafür nehmen sie einen aber auch weniger ernst.
Also gibt es doch Unterschiede im Humor?
Ich bin halt immer sehr vorsichtig mit Ländergrenzen. Es gibt Gegenden, die vor 100 Jahren österreichischen Humor hatten, dann deutschen und nun polnischen. Es gibt keine Humorgrenzen. Diese Einteilung funktioniert einfach nicht.
Aber gibt es dennoch so etwas wie die Urform des österreichischen Humors?
Die Kulturmacht in Österreich geht von Wien aus. Hier werden die Filme gedreht, von hier kommen die Serien. Da gibt es einen Gegensatz zur bayrischen Kultur, die eher von der Provinz geprägt ist. In Österreich verstehen sogar die Vorarlberger das Wienerische, die Wiener aber niemals die Vorarlberger. Auch die Ursprünge des österreichischen Kabaretts sind urbane. Als es Anfang des 19. Jahrhunderts entstand, war es sehr geprägt vom Wiener jüdischen Humor. Und in der Zwischenkriegszeit kam dann noch ein linkes, sozialdemokratisches Kabarett dazu. Auch in Wien.
Sie sind ja katholisch aufgewachsen und Österreich ist mangels einer starken protestantischen Bewegung sehr vom Katholizismus geprägt. Gibt es auch so etwas wie eine katholische Art des Humors?
Ich glaube nicht, dass es so etwas gibt. Wieso auch? Als Katholik geht man beichten, um sich das Leben erträglich zu machen. Da braucht es keinen Witz, um sich das schlechte Gewissen wegzulachen. Als Kind wurde ich kulturell nicht vom Katholizismus geprägt, sondern vom Fernsehprogramm. Damals liefen die Auftritte der Wiener Kabarettisten noch zur Primetime. Die Übertragungen waren richtige Straßenfeger. Das waren Leute wie Georg Kreisler, Gerhard Bronner und Karl Farkas. Alles drei mussten als Juden 1938 fliehen, kamen aber wieder zurück, als wäre nichts gewesen, als wären diese furchtbaren Sachen, die sie und ihre Familien erleben mussten, einfach nicht geschehen. Da hat bei den Künstlern und beim Publikum ein riesiger Verdrängungsprozess begonnen.
Ist das vielleicht eine spezielle Wiener Art? Im Humor den Schrecken zu vergessen, ohne sich anzubiedern?
Das hiesige Volkstheater, der Vorläufer des Kabaretts, ist in der Zeit des Biedermeier entstanden – einer schrecklich repressiven und konservativen Zeit. Es gab eine Geheimpolizei, die alles zu kontrollieren versuchte, eine ausgesprochen harte Zensur. Johann Nestroy hatte zum Beispiel immer Schwierigkeiten. Vielleicht kann man daher sagen, richtig guter Humor entsteht unter Druck. So wie der jüdische Humor. Aber man sollte jetzt auf gar keinen Fall auf die Idee kommen, sich eine Diktatur herbeizuwünschen. Das ist der gute Humor nicht wert. Vor allem weiß man ja auch nicht, ob man die Schlusspointe dann noch erleben kann.
In Deutschland machte vor etwa zwei Jahren ein Video aus den Siebzigern die Runde, in denen der Komiker Jonny Buchardt in seiner Büttenrede das Publikum erst mit »Zicke zacke zicke zacke hoi hoi« zum Nachmachen anfeuert, mit »Sieg« abschließt und das Publikum dann wie von selbst mit »Heil« antwortet. Zeigt das nicht, wie schlimm dieser nachklatschende Witz ist?
Das ist interessant. Wichtig wäre jetzt zu wissen, ob es seine Intention war, die Menschen zu entlarven, oder ob es ihm selbst herausgerutscht ist. Man ist damals generell viel unbedarfter mit dem Nationalsozialismus umgegangen. Man hatte überlebt und wollte möglichst rasch vergessen, dass es die schrecklichste Zeit der menschlichen Zivilisation war. Damals gab es eine erfolgreiche Serie im Fernsehen, in Deutschland wie in Österreich, »Louis Trenker erzählt«. Da stand er vor einem Alpenpanorama und erzählte witzige Anekdoten über Hitler und Goebbels. So als wären das schrullige Typen aus einer alten Zeit. Wenn man das heute anschaut, ist das unglaublich schräg.
In Österreich, so scheint es, wird der Rassismus viel offener kommuniziert als in Deutschland. Die Deutschen müssen ihre Xenophobie immer mit Pseudoargumenten tarnen, während Österreicher einfach sagen: »Die Serben sind ein Pack.« Dennoch gibt es in Österreich keine schwarzen Kabarettisten, die den minderbemittelten Klomann geben, so wie Dave Davis, oder sich als Klischee-Türke zum Affen machen. Ist die verklausulierte Form des Rassismus für den Humor daher Fluch oder Segen?
Ist es nicht aber auch gleichzeitig ein Fortschritt und ein Zeichen dafür, dass dort die Integration besser funktioniert als in Österreich? Immerhin gehen ja sehr viele Leute hin und zahlen Eintritt, um eine andere Mentalität zu erleben, auch wenn es eher als Klischee passiert. Aber Klischees braucht ja praktisch jeder Kabarettist, ohne Klischees kann eigentlich Witz gar nicht funktionieren. Selbst der allerintellektuellste politische Kabarettist hantiert mit Klischees, sonst würde niemand lachen. Inhaltliche Verkürzung ist die Basis der Satire. Wer etwas auf den Punkt bringt, lässt immer ein paar Sätze weg.
Österreichische Komödien sind meist düster, sehr existentiell. So wird im Film »Hinterholz 8« ja nicht nur in Slapstickeinlagen der gescheiterte Traum von einem Eigenheim erzählt, sondern auch die schlimme Doppelmoral in einer Vorstadt. In »Indien«, einem Roadmovie über zwei Gaststättenprüfer, wurde vier Jahre vor »Knockin’ on Heaven’s Door« die Krankheit Krebs zum Witz. Wieso kommen deutsche Komödien da nicht ran?
Das liegt daran, dass Deutschland ein größeres Land ist. Hier kann man mit Filmen Geld verdienen, da will man so viele Menschen wie möglich ansprechen. Und daher werden hier auch so Gummifilme gemacht – nein, das wär’ umgerecht gegenüber Gummi, das ist ja ein Naturprodukt, nennen wir sie Plastikfilme. In Österreich müssen alle Filme vom Staat mitfinanziert werden so wie andere Kunstformen. Da hat man natürlich ­andere Möglichkeiten und kann mehr gegen den Strich bürsten.