Die Debatte um den Terror des »Islamischen Staats« in Frankreich

Schmutzige Franzosen

Nach der Ermordung einer französischen Geisel durch Jihadisten wächt in Frankreich die Zustimmung zu Lufteinsätzen gegen den »Islamischen Staat«.

»Wir sind alle schmutzige Franzosen« – unter diesem Motto versammelten sich am Freitag voriger Woche einige Tausend französische Muslime sowie ein paar Unterstützer vor der Pariser Zentralmoschee, um den Terror des »Islamischen Staats« (IS) zu verurteilen. Der Anlass dafür war die Ermordung der französischen Geisel Hervé Gourdel, die am Mittwoch voriger Woche bekannt wurde. Der 55jährige Profibergsteiger war bei einer Bergtour im Djurdjura-Hochland in der algerischen Kabylei entführt worden. Die Geiselnehmer gehören der Gruppe Jund al-Khilafah (Soldaten des Kalifats) an, der jüngsten der bewaffneten islamistischen Organisationen in Algerien. Sie hatte sich von der Gruppe al-Qaida im Land des islamischen Maghreb (Aqmi) abgespalten.

Mit der Orientierung am IS ging auch eine Veränderung der Methoden einher. Aqmi hätte die Geisel wahrscheinlich für längere Zeit – eventuell Jahre – festgehalten und nach Zahlung eines Lösegelds mutmaßlich wieder freigelassen. Doch die neue Terrorgruppe tritt anders auf. Nach nur drei Tagen schnitt sie ihrer Geisel vor laufenden Kameras die Kehle durch und stellte das Video ins Internet. Zuvor hatte ihr Chef, Abdelmalek Gouri, der französischen Regierung die Bedingung gestellt, diese müsse ihre Politik im Irak ändern, dann werde die Geisel am Leben gelassen. Doch die Forderung nach direkter Einflussnahme auf die Außen- und Militärpolitik war von der französischen Regierung als nicht erfüllbar bezeichnet und abgelehnt worden.
Französische Kampfjets flogen am 19. September erste Luftangriffe auf Ziele des IS im Irak, wo die USA ihre Operationen am 8. August begonnen hatten. Während die USA ihre Attacken auf Stellungen der Jihadisten am 23. September auch auf Syrien ausgeweitet haben, schlossen die französischen Behörden – wie alle anderen beteiligten europäischen Nationen – bislang ein militärisches Eingreifen in Syrien aus. Mitte September hatten in Umfragen 53 Prozent der Französinnen und Franzosen das Vorgehen gegen den IS im Irak unterstützt. Nach der Ermordung von Hervé Gourdel stieg dieser Anteil auf 69 Prozent.

In Frankreich begann eine der von britischen Muslimen initiierten Kampagne »Not in my name« vergleichbare Aktion. Ihr Titel spielt auf einen Ausspruch des »Kalifen« Abu Bakr Al-Baghdadi an, der seine Anhänger aufforderte, »schmutzige Franzosen und Amerikaner« überall in der Welt zu töten – »mit einem Auto, mit einem Stein, was immer ihr gerade zur Hand habt«. In Paris und weiteren Städten kamen am Freitag voriger Woche Tausende Demonstrierende zusammen. Manche Muslime, Linke und Antirassisten kritisieren am Aufruf einzig, er erwecke den falschen Eindruck, Muslime müssten sich für den IS entschuldigen, weil sie etwas mit ihm zu tun hätten.
Marine Le Pen, die vorige Woche die französischen Muslime ultimativ zur Distanzierung vom IS aufforderte, und ein ähnliche Töne anschlagender Text in der konservativen Zeitung Le Figaro – deren Redaktion sich inzwischen dafür entschuldigt hat – verleihen dieser Kritik Nahrung. Umstrittener war eine Demonstration am Sonntag in Paris, die auch von mehreren antirassistischen Organisationen, der französischen KP und dem Gewerkschaftsbund CGT unterstützt wurde. Der Aufruf kam jedoch maßgeblich von liberalen, »antitotalitären« Intellektuellen, darin wurde auf der Notwendigkeit einer »nationalen Einheit« insistiert: »Wir lassen uns nicht auseinanderdividieren.« Der verwendete Begriff union nationale (nationale Einheit) wird auch für die verhängnisvolle Burgfriedenpolitik der Sozialdemokratie von 1914 benutzt und stößt deswegen auf viel Kritik. Radikale Linke favorisieren eher die Unterstützung für die vor Ort kämpfenden kurdischen Kräfte.