Tears for fears

Kein irgendwie emanzipativ gemeintes Projekt mehr, das nicht mit ihnen angibt: den Tränen der Unterdrücker. Die Feministen werben mit »male tears«, die Homoaktivisten mit »straight tears«, die Antirassisten mit »white man’s tears« – welche dann wahlweise getrunken, als Badezusatz verwendet oder sonstwie lustvoll konsumiert werden. Und das ist ja auch alles schön und richtig, dass diejenigen, die historisch die meisten Tränen fließen gemacht haben, nun wenigstens symbolisch dafür zur Rechenschaft gezogen werden, nun selber welche vergießen sollen. Und sicher ist es auch total wichtig und superverständlich, sich als Aktivist nicht immerfort in die Rolle des Wehklagenden und Gemarterten, also des Weinenden begeben zu wollen, sondern sich auch mal das Näschen zu putzen und dem gesellschaftlichen Fortschritt die Coolness zurückzugeben. Alles gut! Nur: Allmählich haben’s echt auch alle verstanden. Ihr seid richtig hart drauf und veritable Badasses (deutsch: Schlechtärsche) vor dem Herrn, kommuniziert in prachtvoll animierten GIFs und lasst euch kein @ für ein € vormachen. Ja, doch. Prima. Läuft. Läuft halt aber eventuell auch wieder pfeilgrad in Richtung jener Netzdiskussionen, wo jede etwas nachdenklichere Äußerung gleich als unmännliches »Mimimi« abqualifiziert wird, wo also eben jene aggressiv-maskuline Rationalität im Gewande des besseren Lebens 1:1 restauriert wird. Und der Fortschritt dann darin besteht, genauso gemein, grob und widerlich zu werden wie die Herrenrasse, nur mit reinerem Gewissen. Denn es ist kein Gewinn, dass jene weißen Männer, denen man in den Siebzigern mühsam das Weinen beigebracht hat, ihre Tränen nun wieder runterschlucken sollen, zugunsten eines kraftvoll-phallischen, schmerzlosen Linksindianertums. Die sollen ruhig weiter rumheulen.