Verbote von Leihmutterschaft und Eizelltransfer bremsen die neoliberale Deregulierung

Im Dienste der Biologisierung

Die Legalisierung von Leihmutterschaft und Eizelltransfer käme einer neoliberalen Deregulierung gleich. Daher ist es sinnvoll, an Verboten festzuhalten.

Die Debatte um Leihmutterschaft und Eizelltransfer und deren Legalisierung in Deutschland geht wieder einmal in eine neue Runde. Neben den Medien, die internationale Fälle von Leihmutterschaft skandalisieren, treiben vor allem die Lobbyistinnen und Lobbyisten der Reproduktionsmedizin selbst die Debatte voran. Ihre Vertreterinnen und Vertreter lancierten vergangenes Jahr einen radikal deregulierenden Entwurf für ein Fortpflanzungsmedizingesetz und prägten erfolgreich die Debatten im Deutschen Ethikrat, der kritische Positionen mittlerweile nur noch am Rande behandelt und der Freigabe von Eizelltransfer und Leihmutterschaft das Wort redet. Reproduktionsmedizin, so viel ist sicher, ist ein komplexes Interventionsfeld voll offener Fragen und Fallstricke für diejenigen, die queerfeministische, antieugenische und linke Herrschaftskritik miteinander verbinden. Darum bemüht sich das »Gen-ethische Netzwerk« seit vielen Jahren. Eine moralisierende Position, die das Handeln von Frauen und Paaren in den Mittelpunkt der Kritik rückt, lehnen wir dabei grundsätzlich ab, denn sie verstellt – wie Antje Molitor in ihrem Text (Jungle World, 36/2014) richtig hervorgehoben hat – den Blick auf die gesellschafts- und machtpolitischen Fragen, um die es im Kern hier geht.

Eine herrschaftskritische Perspektive sollte auf drei Ebenen artikuliert werden. Erstens gegenüber wertkonservativen Positionen der »Lebensschützer«, die den als isoliert verstandenen, mit Menschenwürde behafteten Embryo verteidigen, um Frauenrechte einzuschränken und die Norm der heterosexuellen Kleinfamilie als »naturgegeben« zu propagieren. Zweitens gegenüber den reproduktionsmedizinischen Versprechen eines qualitativ hochwertigen »eigenen« Wunschkindes, das eine genetisch-biologische Genealogie zum Ausgangspunkt von Bindungen zwischen Menschen macht und die Praxis der Selektion in Gang setzt. Schließlich gegenüber der expansiven kapitalistischen Dynamik der Verdinglichung und Inwertsetzung von Körpermaterialien, Körperprozessen und Körperprodukten, die deren Marktförmigkeit überhaupt erst ermöglicht. Eine mögliche theoriepolitische Intervention ist es, die Debatte neu zu ordnen, indem das Abgeben von Eizellen oder das Gebären auf Bestellung als »normale« kapitalistische Arbeitsverhältnisse gefasst werden. Sarah Diehls Diskussionsangebot (Jungle World 35/2014), diese reproduktiven Dienstleistungen ähnlich zu verhandeln wie die Sexarbeit, hat zunächst einmal begrüßenswerte Effekte. Zuallererst macht diese Perspektive überhaupt sichtbar, dass die neueren Verfahren der Reproduktionsmedizin – Eizellabgabe und Leihmutterschaft – eben nicht einfach in der Transaktion zwischen Kunden und Serviceanbieterinnen zu verorten sind. Vielmehr funktionieren sie nicht ohne Arbeitsverhältnisse, innerhalb derer Dritte via Bezahlung rekrutiert werden, um sich mehr oder weniger belastenden, schmerzhaften, arbeitsintensiven und riskanten medizinischen Verfahren oder körperlichen Prozessen zu unterziehen. Beim Eizelltransfer ist dies eine in den Werbebroschüren von reproduktionsmedizinischen Anbietern gerne ausgeblendete – und bei der Leihmutterschaft nebulös gehaltene – Realität, die aber ins Zentrum der politischen Debatte gehört.
Schließlich funktionieren beide Angebote nur darüber, dass Frauen involviert sind, die selbst nicht von diesen Verfahren profitieren und sich grundsätzlich darauf auch nur im Austausch gegen Geld einlassen – das haben die internationalen Erfahrungen mit den Verfahren inzwischen eindeutig gezeigt. Die insbesondere in Europa vorherrschenden rechtlichen und auch diskursiven Rahmenbedingungen ignorieren diese Realität, etwa wenn die Bezahlung euphemistisch als »Kompensation« bezeichnet, die Abgabe von Eizellen als »Spende« definiert oder der Leihmutterschaft »Altruismus« unterstellt wird. Weil hier aber doppelt freie Lohnarbeiterinnen im Rahmen kapitalistischer Verhältnisse ihre Arbeitskraft zu Markte tragen, sind Fragen nach Arbeitsrechten und Arbeitsschutz weitaus angemessener. Nicht zuletzt ermöglicht es die Betrachtung als Arbeitsverhältnis, zu irritieren und die (Schein-)Heiligkeit wertkonservativer Empörung sichtbar zu machen – die merkwürdige Viktimisierung der Arbeiterinnen etwa, die ihnen jegliche Handlungskompetenz abspricht, oder die moralische Verurteilung der Leihmutterschaft, weil Frauen hier Kinder bekommen, ohne eine »natürliche« Bindung zum ausgetragenen Kind zu verteidigen und ohne in einer Mutterrolle aufzugehen. Insofern ist »Leihmutter« auch ein ähnlich fragwürdiger Begriff wie »Eizellspenderin«.

Solchen antiemanzipatorischen und naturalisierenden Vorstellungen von Frauenrolle und Mutterschaft jedoch mit dem Argument entgegenzutreten, Frauen würden keinesfalls immer aus finanziellen Gründen Leihmütter werden, sondern – zumindest in westlichen Ländern – auch zum Beispiel aus Lust an der Schwangerschaft, wie es Diehl in ihrem Beitrag tut, geht unserer Ansicht nach in die falsche Richtung. Denn Diehl legt mit dieser Argumentationskette auch die Aufhebung der derzeitigen Verbote nahe und stützt damit die gegenwärtigen Bestrebungen, den europäischen Markt umfassend für Angebote und Dienstleistungen der Reproduktionsmedizin zu öffnen.
Aber hier stellt sich die Frage, ob wir mit Blick auf die neuen globalen Arbeitsverhältnisse automatisch auch für deren Normalisierung und Legalisierung plädieren müssen. Legt nicht schon das Gebot des Arbeitsschutzes nahe, dass schmerzhafte, riskante oder zumindest gesundheitsbelastende Arbeitsverhältnisse verboten werden sollten? Nach Angaben der WHO riskieren zwischen 0,5 bis fünf Prozent der Frauen, die eine Hormonbehandlung für die Eizellgewinnung bekommen, ein schweres Hyperstimulationssyndrom, das mit Blutgerinnungsstörungen und einer sehr hohen Thrombosegefahr verbunden ist sowie mit dem Versagen von Nieren- und Leberfunktionen – ganz zu schweigen von Schmerzen, gesundheitlichen Belastungen und Gefährdungen bei Schwangerschaft und Geburt.
Darüber hinaus hat der theoriepolitische Einsatz, Leihmutterschaft und Eizellproduktion als Arbeit wie andere Arbeiten zu fassen, auch prinzipiell seine Grenzen und reicht nicht aus, um eine Debatte über die sozialen Verhältnisse, die dadurch etabliert werden oder werden sollen, zu führen. Melinda Cooper, die wohl in der internationalen akademischen Debatte bekannteste Autorin, die sich für die »Arbeits«-Perspektive stark macht, hat selbst aufgezeigt, dass typische Leihmutterschafts-Verträge, etwa zwischen Agenturen in den USA und Indien, nicht wie andere Arbeitsverträge funktionieren, und zwar, weil sie Sorgerecht und Arbeitsrecht miteinander verschränken. Indem diese Verträge den »Bestelleltern« das unveräußerliche Recht auf Zugriff auf das entstehende Kind zusprechen, versagen sie der Leihgebärerin das Recht, den Vertrag jederzeit zu kündigen, wie dies sonst im Arbeitsrecht üblich ist.

Dass Sorge- und Arbeitsrecht hier so eng miteinander verbunden sind, macht auch deutlich, dass das Arbeitsprodukt eine besondere, nicht einfach austauschbare Ware oder Dienstleistung ist, nämlich ein Kind als weiteres Subjekt, das es zu berücksichtigen gilt, worauf Malina Schwarz (Jungle World 40/2014) zu Recht hinweist.
Die Tatsache der Unkündbarkeit und des uneingeschränkten Zugriffsrechts der Bestelleltern macht deutlich, dass das Arbeitsverhältnis Leihmutterschaft nur unter der Prämisse des Versprechens einer genetisch-biologischen Genealogie besteht. Das Kind wird zum »eigenen« der Bestelleltern allein wegen der genetischen Basenkombinationen, in denen es aufgrund des Eizell- und/oder Spermientransfers mit ihnen übereinstimmt. Verwandtschaft wird hier ausschließlich biologisch konstruiert. Diese stillschweigend vorausgesetzte Grundannahme der Reproduktionsmedizin – unsere »Gene« würden uns prägen und gesellschaftliche Zugehörigkeit herstellen –, gehört ins Zentrum der Debatte. Aus einer emanzipatorischen Perspektive, die Biologisierung und Genetisierung ebenso wie Vorstellungen biologischer Differenz ablehnt, muss die Kritik genau hier ansetzen.
Was bedeuten die verschiedenen Ebenen der kritischen Analyse, wenn wir über mögliche Gesetzesänderungen nachdenken? Wir sprechen als soziale Bewegungsorganisation nicht aus einer staatlichen oder gesetzgeberischen Perspektive und sind weit davon entfernt, das Embryonenschutzgesetz mit seinem konservativen Kern, dem Embryonenschutz, gutzuheißen. Eine analytisch und theoretisch staatskritische Haltung entlässt uns aber nicht daraus, politische Strategien im Rahmen gegenwärtiger Kräfteverhältnisse zu entwickeln. Dazu gehört auch, auf staatliche Verbote im Sinne von Schutz- und Abwehrrechten zu rekurrieren. Denn sonst blieben als einzige Bezugspunkte nur die neoliberale Deregulierung von Arbeitsverhältnissen und ein Konzept von »Selbstbestimmung« im Sinne von individueller Freiheit der Konsumentinnen und Konsumenten. Damit aber würde der Handlungsrahmen gänzlich eindimensional auf die Interessen der Reproduktionsmedizin-Lobby und die Bedürfnisse von Empfängerinnen und Empfängern reproduktionsmedizinischer Dienstleistungen verengt, die die Debatte ohnehin schon dominieren.

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