Die ungelösten Konflikte in Mosambik vor den Wahlen

Harte Fronten

In Mosambik stehen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen bevor. Der ungelöste Konflikt zwischen der um den Machterhalt kämpfenden Regierungspartei Frelimo und der einst konterrevolutionären Oppositionspartei Renamo erschwert politische Fortschritte.

In den vergangenen Wochen verging in Mosambik fast kein Tag ohne gewalttätige Zwischenfälle. Wenn am 15. Oktober die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen stattfinden, geht ein blutiger Wahlkampf zu Ende. Immer wieder kam es zu Übergriffen auf Anhänger der drittgrößten Partei des Landes, des Movimento Democrático de Moçambique (MDM). Auch den Präsidentschaftskandidaten und Vorsitzenden des MDM, Daviz Simango, traf es Ende September. Bei einem Wahlkampfauftritt in der südlichen Provinz Gaza wurde er von Anhängern der regierenden Partei Frente de Libertação de Moçambique (Frelimo) angegriffen, ohne dass die Polizei einschritt. Zur gleichen Zeit kam es auch in Nampula, im Norden Mosambiks, zu Ausschreitungen gegen Mitglieder des MDM. Diese wurden anschließend von der Polizei verhaftet und, wie sie später berichteten, im Gefängnis körperlich und sexuell misshandelt.

Bereits im vergangenen Jahr hatte sich die politische Lage zugespitzt. Weitgehend unbemerkt von der europäischen Öffentlichkeit stand Mosambik damals kurz vor dem Ausbruch eines neuen Bürgerkriegs. Ende Oktober 2013 hatte die größte Oppositionspartei und ehemalige konterrevolutionäre antikommunistische Bürgerkriegspartei Resistência Nacional Moçambicana (Renamo) den Friedensvertrag von Rom aus dem Jahre 1992 aufgekündigt. Vorausgegangen waren eine Zunahme bewaffneter Übergriffe von Milizionären der Renamo im Frühjahr 2013 und Gegenangriffe der mosambikanischen Armee auf deren Stützpunkte. Den Höhepunkt bildete der Einmarsch der Armee in das Hauptquartier der Renamo im zentralmosambikanischen Sathunjira. Damals konnte Afonso Dhlakama, langjähriger Vorsitzender der Renamo, entkommen, ein Parlamentsabgeordneter der Partei, Armindo Milaco, wurde getötet. Daraufhin kündigte Dhlakama zwar den Friedensvertrag auf, eine großangelegte militärische Offensive blieb jedoch aus. Das lag wohl vor allem daran, dass die paar hundert Kämpfer der Renamo einer offenen Konfrontation mit der Armee nicht gewachsen gewesen wären.
Zusätzlich zur symbolträchtigen Aufkündigung des Abkommens entschloss sich Dhlakama zu einem Boykott der Kommunalwahlen im November und Dezember 2013. Diese Entscheidung erwies sich für die Renamo als folgenschwer. Denn nicht nur siegte die Frelimo, die 1962 aus einem Zusammenschluss antikolonialer Befreiungsbewegungen entstanden war, in 50 von 53 Gemeinden, zudem gelang es dem MDM, sich als einzige Opposition zu etablieren. Der MDM gewann die Wahlen in Beira und Nampula, der zweit- und drittgrößten Stadt Mosambiks, und errang in der Hauptstadt Maputo fast 40 Prozent der Stimmen. Somit hatte sich die Renamo mit ihrer Entscheidung marginalisiert.
Das hatte schließlich wohl auch Dhlakama erkannt, so dass er sich nach langem Hin und Her Anfang September dazu entschloss, ein neues Abkommen zu unterzeichnen, das die Eingliederung der Renamo-Kämpfer in Armee und Polizeidienst vorsieht und einige weitere kleinere Zugeständnisse enthält, etwa, dass die Zählung der Stimmzettel sowie die Veröffentlichung der Ergebnisse in den Wahllokalen selbst stattfinden sollen. Ein politischer Sieg ist das nicht, das Abkommen bezeugte eher Dhlakamas Angst, weiter in die politische Bedeutungslosigkeit abzusinken.

Allerdings sieht es derzeit so aus, als käme dieses Einlenken zu spät. Denn das Ansehen der Renamo ist im gesamten Land auf einem Tiefpunkt angelangt. Das sieht auch André Thomashausen so. Er war Anfang der neunziger Jahre Mitverfasser des mosambikanischen Friedensvertrags und danach Sonderberater von Unomoz, der UN-Friedensmission in Mosambik. Derzeit lehrt er Internationales Recht an der Universität von Südafrika in Pretoria. Seiner Meinung nach war das Verhalten Dhlakamas ein schwerer politischer Fehler: »Der erneute bewaffnete Widerstand der Renamo mit Wegelagerertaktiken war im Land unbeliebt und gefürchtet. Er wird Renamo vor allem Stimmen kosten.«
Die Wahlen könnten deshalb die politischen Verhältnisse in Mosambik verändern. Das hängt vor allem vom Ergebnis des MDM und seines charismatischen Vorsitzenden Daviz Simango ab. Dessen Vater war einer der Gründer der Frelimo, wurde aber 1975 zusammen mit seiner Frau Celina als Abtrünniger hingerichtet. Simango trat 1997 in die Renamo ein und wurde als deren Kandidat 2003 zum Bürgermeister von Beira gewählt. Danach überwarf er sich mit der Partei und gründete den MDM. Der 50jährige sieht den MDM als eine Partei des »dritten Wegs« und spricht von ihr als Partei der rechten Mitte. Klassische Themen dieses politischen Lagers wie Individualismus, Eigentum, Tradition und Glauben tauchen bei Simango immer wieder auf. Vom Programm her unterscheidet ihn somit nur wenig von der Renamo, allerdings gilt diese wegen des jahrzehntelangen Vorsitzes von Dhlakama als autoritäre, führerzentrierte Partei, die sich wenig um politische Prinzipien kümmert.
Simango hingegen hat insbesondere als langjähriger Bürgermeister von Beira gezeigt, dass er in der Lage ist, Führungsaufgaben zu übernehmen. Durch sein besonnenes Auftreten während der Krise im vorigen Jahr konnte er zudem den Eindruck vermitteln, nicht Teil des alten Konflikts zwischen Renamo und Frelimo zu sein, sondern einer jüngeren Generation anzugehören, die konstruktiv und pragmatisch an Lösungen arbeitet.
Nicht zuletzt die überraschend guten Ergebnisse des MDM bei den jüngsten Kommunalwahlen zeigten, dass es eine große Unzufriedenheit mit der Frelimo gibt. Denn trotz der guten ökonomischen Daten Mosambiks – 2013 wuchs die Wirtschaft um sieben Prozent – lebt immer noch mehr als die Hälfte der Bevölkerung in extremer Armut. Daran werden auch die riesigen Erdgasfunde vor der Küste nichts ändern, die Mosambik in den kommenden Jahren zu einem der größten Erdgasexporteure machen könnten. Die Ausbeutung der Gasfelder durch das italienische Unternehmen ENI und den US-Konzern Anadarko wird vor allem die regierende Frelimo und ausländische Investoren reich machen. Der amtierende Präsident Armando Guebuza gilt als einer der reichsten Mosambikaner, auf den ersten zehn Plätzen befinden sich weitere amtierende und ehemalige Minister.

Da allerdings niemand von einer Wahlniederlage der Frelimo ausgeht, wird sich an dieser Selbstbedienungsmentalität so schnell nichts ändern. Zumal mit Filipe Nyussi ein enger Vertrauter des noch amtierenden Präsidenten das Amt übernehmen soll. Dessen Nominierung ging jedoch ein offener Schlagabtausch zwischen Reformern und Anhängern Guebuzas innerhalb der Frelimo voraus. Hinzu kommt, dass Nyussi zwar seit 2008 das Amt des Verteidigungsministers innehat, über seine politische Haltung in Mosambik aber fast nichts bekannt ist. Er gilt jedoch im Hinblick auf die Renamo als Hardliner und Befürworter einer militärischen Lösung. Das sieht auch Thomashausen so: »Als ehemaliger Verteidigungsminister wird Nyussi Problemen mit gewaltsamer Unterdrückung begegnen.«
Sollte es Simango und dem MDM am 15. Oktober gelingen, sich als neue oppositionelle Kraft zu etablieren, könnte die Chance bestehen, dass sich etwas an den festgefahrenen politischen Strukturen Mosambiks ändert. Ob davon bald auch die Bevölkerung profitiert, ist fraglich. »Bei der bestehenden sozialen Realität gibt es keine progressive Gesellschaftspolitik. Die absolute Verarmung und Entbehrungen der großen Masse der Menschen in Mosambik werden vom Wahlsieger eher verschärft als gelindert werden«, meint Thomashausen.