Die britische Atompolitik

Teure Energie

In Großbritannien wird ein neues Atomkraftwerk gebaut. Die dafür notwendigen Subventionen hat die EU-Kommission nun genehmigt.

Fast 20 Jahre ist der letzte Bau her. Hinkley Point C wird die erste neue Atomkraftanlage Großbritanniens seit der Inbetriebnahme von Sizewell B an der Ostküste in Suffolk 1995 sein. Das vom französischen Stromkonzern EDF betriebene Werk wird an der Stelle von zwei bereits bestehenden Reaktoren errichtet, es soll an die 25 Milliarden britische Pfund (31,7 Milliarden Euro) kosten und 2023 in Betrieb genommen werden. Die Laufzeit des Kraftwerks soll 35 Jahre betragen. Umstritten war bislang, ob die vorgesehenen Subventionen gegen Wettbewerbsregeln der EU verstoßen. Doch am Mittwoch voriger Woche genehmigte die EU-Kommission den Bau des Atomkraftwerks in Somerset im Südwesten Englands.
Hinkley Point C ist ein wichtiger Teil der britischen Energiepolitik und wird als unverzichtbar für die Versorgung Großbritanniens bezeichnet. Obwohl der Energieverbrauch in den vergangenen Jahrzehnten zurückgegangen ist, werden neue Energiequellen benötigt, um den Bedarf zu decken, da viele derzeit betriebene Kraftwerke geschlossen werden müssen. Nicht nur wird die Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen weitgehend zurückgefahren, da Kohle- und Gaskraftwerke den Emissionsstandards der EU nicht mehr entsprechen, auch Atomkraftwerke müssen früher als erwartet außer Betrieb genommen werden, da sie baustrukturelle Mängel aufweisen.
In der vergangenen Woche wurden beispielsweise Risse im Reaktor Hunterston B in Schottland entdeckt, dessen Laufzeit eigentlich verlängert werden sollte. Die britische Regierung hat sich verpflichtet, bis 2030 15 Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen zu generieren. Der Rest des Bedarfs soll mit Hilfe neuer Atomkraftwerke gedeckt werden, die den Plänen der Regierung zufolge zukünftig die emissionsarme und nachhaltige Energieversorgung Großbritanniens sichern sollen. Hinkley soll sieben Prozent der benötigten Energie beisteuern.
Unter anderem deshalb wurde die Genehmigung des Baus in Hinkley überwiegend begrüßt. Ein weiteres Argument für den Bau eines neuen Atomkraftwerks ist die versprochene Senkung der Energiekosten für Verbraucher. Der stetige Anstieg der Kosten für Strom und Gas in den vergangenen Jahren, der für viele Haushalte finanzielle Probleme bedeutet, sorgt für hitzige Debatten. Der Vorsitzende der Labour Party, Ed Miliband, versprach deshalb, nach einem Sieg bei den Parlamentswahlen 2015 die Energiekosten für Verbraucher einzufrieren. Die konservative Regierung argumentiert, dass ihre Atomenergiepläne die Kosten für Haushalte bis 2030 um 75 Pfund senken würden.

Die Gewerkschaft Unite sieht die Entscheidung der EU-Kommission positiv. Ihr Funktionär Kevin Coyne wies darauf hin, dass Hinkley Arbeitsplätze in Bau, Herstellung und Betrieb schaffe. Aus der Sicht von Unite bedeutet Hinkley 500 Lehrstellen und 25 000 Arbeitsplätze über die gesamte Laufzeit. Die wenigen Gegenstimmen in Großbritannien kommen von Umweltschützern, Klimaexperten und Verbraucherschützern. Diese weisen nicht nur auf die Umweltgefahren hin, die von einem neuen Atomreaktor ausgehen, sondern machen vor allem auf die problematischen Finanzierungspläne des Betreibers EDF aufmerksam, der den Bau des Reaktors mit Hilfe von Subventionen finanzieren will. Die Rechtsexpertin von Greenpeace, Andrea Carta, betonte, dass es keine Legitimation dafür gebe, Steuergelder in Profit für ein Unternehmen umzuwandeln, dessen einzige Hinterlassenschaft ein Haufen radioaktiven Mülls sein werde. Nick Butler, ein ehemaliger Energieberater der Regierung, hält die vorgesehene Subventionsregelung für die Finanzierung des Reaktors für einen großen Fehler, der den Verbrauchern schaden wird.
Die EU-Kommission hatte den Bau in Hinkley genehmigt, obwohl geschätzt wurde, dass die von EDF angesetzten Baukosten von 16 Milliarden Pfund weit überschritten werden. EU-Kommissar Joaquín Almunia hatte einen Bericht des britischen Ministeriums für Energie und Klimawandel (DECC) zu Rate gezogen, in dem die staatlichen Subventionen für den Bau kritisiert wurden. Befürchtet wurde, dass diese gegen die EU-Richtlinien gegen unfaire Staatshilfen für Unternehmen verstoßen. Die Zustimmung der EU-Kommission erfolgte letztlich auf Basis einer signifikanten Änderung der Pläne, die angeblich die befürchtete Wettbewerbsverzerrung verhindern. Trotzdem sehen die derzeitigen Subventionspläne vor, dass EDF für jede Megawattstunde produzierten Stroms 92,50 Pfund erhalten wird, etwa das Doppelte des derzeitigen Marktpreises. Diese Subvention wird von den Verbrauchern getragen, auf die eine jährliche Abgabe von etwa acht Pfund entfällt. Das DECC behauptet jedoch, dass dies trotzdem zu signifikanten Einsparungen im Vergleich etwa zu den erwarteten Gaspreiserhöhungen führen werde.

Andere EU-Länder halten die Subventionspläne allerdings für unzulässig. Der österreichische Kanzler Werner Fayman sieht Hinkley als gefährlichen Präzedenzfall, da Subventionen bisher nur für Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen wie Wind und Sonne vorgesehen waren. Österreich sei gegen die Entscheidung der EU-Kommission, da Atomkraft keine nachhaltige Energiequelle und keine Option für den Kampf gegen den Klimawandel darstelle. Umweltschutzorganisationen in Irland halten die Genehmigung von Hinkley ebenfalls für einen Verstoß gegen EU-Recht. Für die irischen Grünen und Irlands National Trust besteht das Hauptproblem in der Gefahr, die vom Atomkraftwerk für die irische Natur ausgeht, da der Reaktor lediglich 240 Kilometer von der irischen Küste entfernt stehen wird.