An ihr scheiden sich wortwörtlich die Geister. Und doch scheint der Kosmos Violeta Bulc in positiver Energie zu baden. Erst Mitte September wurde die 50jährige Unternehmerin im Kabinett der neuen slowenischen Regierung zur Ministerin ohne besonderen Aufgabenbereich und Stellvertreterin von Ministerpräsident Miro Cerar ernannt. Nun wird sie EU-Kommissarin, nachdem Sloweniens erste Kandidatin Alenka Bratušek bei den Anhörungen im EU-Parlament durchgefallen war (Jungle World 42/2014). Sie soll für den Bereich Verkehr verantwortlich werden. Bereits innerhalb der slowenischen Regierung war ihre Ernennung zur Ministerin umstritten. Die Nominierung zur EU-Kommissarin führte zu Auseinandersetzungen in der konservativen Fraktion im Europaparlament (EVP), da einige der Meinung waren, dass ihre kaum vorhandene politische Erfahrung und ihr Hang zur Esoterik sie als ungeeignet erscheinen lassen. Der deutsche Christdemokrat Herbert Reul wollte sie sogar »einweisen«.
Tatsächlich ist Bulc »ausgebildete Schamanin« und glaubt ihrem Blog zufolge an die »Kraft von Netzwerken, das holistische Individuum und positive Energie«. Zu lesen sind dort Einträge mit Titeln wie »Die Schwingung der weißen Löwen in der neuen Ära«. 2000 gründete sie die Unternehmensberatung Vibacom. Wie viel Esoterik angewandt wird, um eine »innovative Kultur« und »nachhaltige Innovation« in den Unternehmen zu fördern, oder ob dafür die gängige Optimierungsideologie ausreicht, ist nicht klar. Mit »positiver Energie« beeindrucken kann Bulc offenbar. Nicht nur EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker war nach ihrem Vorstellungsgespräch angetan, auch die Vorsitzende der Europäischen Grünen fand sie sympathisch. Bulcs offene Kritiker befanden sich in der Unterzahl. Hinzu kommt, dass EVP und Sozialdemokraten auf eine schnelle Einigung drängten, weil die neue Kommission bereits ab dem 1. November die Arbeit aufnehmen soll. Bulcs Hang zur Esoterik ist für viele Anhänger kein Grund zur Absage: Ein Befürworter sagte, dass die EU in ihrer aktuellen Verfassung eine Spritze positiver Energie gut brauchen könne. Bulcs Credo »Verbinden, Netzwerken, Kommunizieren« passt auf jeden Fall zur EU und manchmal erscheinen die Übergänge zwischen Esoterik und dem normalen Kapitalfetisch in der »sozialen Marktwirtschaft« eben auch fließend.
