Das Einfrieren von Eizellen kann Frauen entspannter leben lassen

Die Angst vor der kühlen Weiblichkeit

Das Einfrieren von Eizellen steht wie andere Reproduktionstechnologien und medizinische Angebote nicht außerhalb der kapitalistischen Verwertung. Doch innerhalb des Patriarchats bietet es neue Möglichkeiten der Lebensplanung und der Geschlechterverhältnisse.

In den USA wird anders als in Deutschland der Zugang zu medizinischen Leistungen über den Arbeitgeber geregelt. Nun haben die zwei großen Unternehmen Facebook und Apple entschieden, egg freezing, also das Einfrieren von Eizellen, um eine Befruchtung zu einem späteren Zeitpunkt zu ermöglichen, in diesen Katalog aufzunehmen. Nicht mehr und nicht weniger. Seither sind die deutschen Medien in Aufruhr: »Können Unternehmen das egg freezing verlangen, und wenn die Frau doch mit Anfang 30 schwanger wird, verliert sie ihren Arbeitsplatz?« »Muss sie die vom Arbeitgeber geleistete Unterstützung in voller Höhe zurückzahlen?« »Wird sie in Zukunft dazu gezwungen, es in Anspruch zu nehmen?«, lauteten einige panische Fragen. Aber nur, weil in diesem Katalog medizinischer Leistungen auch Zahnreinigungen angeboten werden, wurde noch niemand gefeuert, der keine in Anspruch genommen hat, obwohl dies ebenso als Optimierungszwang gesehen werden kann. Bisher kam noch niemand auf die Idee, Zahnreinigungen deshalb als fragwürdig darzustellen.
Vor einigen Monaten hingegen wurde in den USA gerichtlich entschieden, dass Firmen aus meist religiös motivierten »Gewissensgründen« bestimmte Verhütungsmittel und den Schwangerschaftsabbruch aus diesem Katalog ausnehmen können. Im Hinblick darauf, welche massive Einschränkung dies für die Selbstbestimmung von Frauen darstellt und dass Arbeitgebern dadurch erlaubt wurde, sich hinter der Religion zu verstecken, um die Wirkmächtigkeit des Patriarchats zu exerzieren, ist es verwunderlich, dass dieses Urteil medial viel weniger skandalisiert wurde als nun eine Technik, die real die Handlungsmöglichkeiten von Frauen erweitert. Woher rühren also diese dystopischen, mitunter lustvoll-gruseligen Projektionen beim Thema egg freezing?

Das Ganze muss vor dem Hintergrund des Kapitalismus gesehen werden: Das Einfrieren von Eizellen entspricht in etwa einer »Problemlösung« wie die neu gepriesenen Formen der shared economy, beispielsweise die Privatunterkunftsbörse »airbnb«, die am Ende doch nur Armutsverwaltung sind, neue soziale Probleme und Ausgrenzungen schaffen und in ihrer Innovativität vor allem den Status quo als Freiheit idealisieren. Aber dass das egg freezing eine Angelegenheit einkommensstarker Menschen ist, die sich in einem privatwirtschaftlichen Ambiente selbst verwirklichen wollen, kann man nicht nur über jede andere Technik der Reproduktionsmedizin sagen, sondern auch über die Möglichkeit, ein Leben mit Kindern überhaupt zu finanzieren. Das ist auch nicht klassen- und einkommensunabhängig.
Egg freezing entspricht der Logik kapitalistischer Verwertbarkeit nicht mehr als alle anderen »Vereinbarkeitsmaßnahmen«. Es stimmt, dass sich die Probleme der Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit der Medizin nicht lösen lassen. Die gesellschaftlichen Bedingungen, wie Kinderbetreuungsangebote, Arbeitsbedingungen und die Beteiligung von Männern an der Reproduktionsarbeit, müssen verbessert werden. Aber warum werden beide Möglichkeiten überhaupt gegen­einander ausgespielt, als würde diese neue Technik den Ausbau von Krippenplätzen stoppen? Vor allem, wenn man bedenkt, dass Facebook und Apple neben dem egg freezing junge Mütter ebenso bei der Kinderbetreuung unterstützen, was in vielen Beiträgen zur Debatte ausgespart wurde.

Die Sorge um die Individualisierung eines gesellschaftlichen Problems ist hier ambivalent. Sollte man diese Techniken aus einer kapitalismuskritischen und linksutopischen Überzeugung heraus verweigern? Würde man dann nicht ideologische Debatten auf Kosten von Individuen austragen, die Lösungen für ihre realen Lebensprobleme suchen? Es geht beim Thema Reproduktion eben nicht nur um Kapitalismus, sondern auch um das Patriarchat. Dass Frauen und ihre Gebärfähigkeit als Instrumente für eine kapitalismuskritische Analyse benutzt werden, bringt die Quen­geleien des Haupt- und Nebenwiderspruchs wieder zutage: Würde es in einer nichtkapitalistischen und nicht auf Lohnarbeit fixierten Welt keine Frauen geben, die ihre Gebärfähigkeit zeitlich verlängern wollen? Bringt diese Asymmetrie zwischen den Geschlechtern nicht immer Strukturen der Abhängigkeit und Entwertung für Frauen hervor?
Wie Frauen bleiben auch die meisten Männer ohne Nachwuchs, wenn sie kinderlos die 40 Jahre überschritten haben. Ihre vermeintlich ewige Zeugungsfähigkeit scheint vor allem einen psychologischen Vorteil zu haben: Sie müssen ihr Leben in den Dreißigern noch nicht komplett auf eine mögliche Familiengründung ausrichten. Der zeitliche Spielraum von Frauen passt sich dank des egg freezing nun dem von Männern an. Ihre Freiräume und das damit einhergehende Selbstbewusstsein auch. Sarah Elizabeth Richards beschrieb ihre Erfahrung mit dem Einfrieren ihrer Eizellen in dem Buch » Motherhood, Rescheduled: The New Frontier of Egg Freezing and the Women Who Tried It«. Es habe sich insgesamt positiv auf ihr Leben ausgewirkt, nicht unter diesem Zeitdruck zu stehen: Wenn sie einen Mann traf, der ihr gefiel, habe sie nicht die Verzweiflung einer Frau ausgestrahlt, die nun noch schnell einen Partner für gemeinsame Kinder suchen müsse; außerdem habe sie kein schlechtes Gewissen, ihre Kapazitäten nicht nur zu nutzen, um Lebensumstände herzustellen, die eine Familienplanung ermöglichen, sondern für viele andere Dinge und vor allem für sich selbst. Sie habe ihre Lebenszeit zwischen 30 und 40 einfach besser genießen können.
Dieser Hinweis ist keine Banalität, denn Geschlechterhierarchien speisen sich auch daraus, wie viele Freiräume der Selbstwahrnehmung den Geschlechtern zugestanden werden. Umso wichtiger ist es, sich genau anzusehen, ob sich die Vorbehalte gegen diese Methode nicht tatsächlich aus der nun möglichen Lässigkeit für Frauen speisen.

Der Vorwurf, die Arbeitnehmerinnen würden nun dem Zwang der Selbstoptimierung unterworfen, geht oft damit einher, die »Unnatürlichkeit« der Technik zu diskreditieren – als sei die Natur, hier die Gebärfähigkeit der Frau, ein Refugium der Freiheit gegenüber der kapitalistischen Leistungsgesellschaft. Natürlich sollte man untersuchen, ob und wie profitgesteuerte Unternehmen Frauen in ihrer Gebärfähigkeit regulieren wollen, aber dies geschieht bis heute ohnehin durch den Staat, gepaart mit einer immer noch wirkmächtigen kirchlichen Moral. So wird es als Normalität akzeptiert, dass der Schwangerschaftsabbruch immer noch im Strafgesetzbuch steht, die Pille danach nicht rezeptfrei ist, Frauen gedrängt werden, ihren Fötus nach Behinderungen abzusuchen und vieles mehr. Eine Untersuchung in den USA hat ergeben, dass über 400 Gesetze existierten, die den Körper von Frauen regulieren, während es bezüglich des Männerkörpers kaum eines gibt. Als Viagra für Männer mit Potenzproblemen eingeführt wurde, wurde auch nicht gefragt, ob sie in hohem Alter noch in der Lage sein sollten, Kinder zu zeugen.
Bei Geburt und Schwangerschaft aber halten Menschen gerne an der romantischen Illusion fest, dass der natürliche Weg immer der bessere sei. Der Begriff »Natur« ist eine dankbare Projektionsfläche, gefüllt wird er mit dem, was argumentativ gerade passt. Die Vorbehalte gegen das egg freezing spiegeln ein romantisiertes Naturbild wider, dem die wachsende Autonomie der Frau an sich suspekt ist. Das Unbehagen scheint sich daraus zu nähren, dass es als »natürlich« und damit richtig empfunden wird, wenn Frauen durch ihre Gebärfähigkeit beschränkt werden. Also wird diese wachsende Autonomie mit Mitteln der Technik-, aber auch Kapitalismuskritik abgewertet. Dem Vorwurf, die Befürworterinnen und Befürworter des freezings hingen einer naiven Technikgläubigkeit an, liegt oft der Glaube zugrunde, die Natur sei unschuldig und rein und deshalb besser für uns Menschen. Aber das, was den Frauen in ihrer Gebärfähigkeit mitgegeben wurde, ist von vornherein unzulänglich, einschränkend und oft schmerzhaft bis lebensbedrohlich, wenn sie keinen Zugang zu Techniken haben, die Schwangerschaft und Geburt erleichtern oder erst ermöglichen. Zudem schränkt es Frauen in ihrer Lebensplanung ein, wenn ihre Gebärfähigkeit ihnen nur begrenzt zur Verfügung steht. Denn auch der Zeitdruck »der Natur« tut niemandem gut, wenn man noch schnell eine Familie gründet, um sein gesellschaftlich erwartetes Soll oder den eigenen Kinderwunsch zu erfüllen. Auch für Frauen, die gerne kinderlos sind, hat diese Methode positive Auswirkungen, denn sie haben mehr Zeit, um zu entscheiden, was sie wirklich wollen. Denn viele Frauen berichten, dass das von allen Seiten vermittelte Ticken der biologischen Uhr, die Angst etwas zu verpassen, erst zu dem Eindruck führe, dass man überhaupt Kinder wolle.
Auch für das Queering eindeutiger Geschlechtspositionen bietet egg freezing verschiedene Perspektiven: Schließlich ist es nicht nur praktisch für cis-Frauen, sondern für alle Menschen, die neue Methoden der Familienplanung ausprobieren wollen oder müssen. Das interessanteste symbolische Potential der Reproduktionstechniken liegt auch darin, dass Reproduktionsarbeit von den gängigen Vorstellungen über Weiblichkeit entkoppelt wird. Das scheint eines der größten Schreckgespenster daran zu sein. Allerdings kann das freezing auch Anpassungen an den heteronormativen Lifestyle bestärken, wie schon bei der Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe kritisiert, die von vielen als bürgerliche Normerfüllung abgelehnt wurde. So könnte diese Technik untermauern, dass alle Menschen biologischen Nachwuchs haben wollen und müssen, statt beispielsweise soziale Elternschaft zu fördern.
Anderseits wird durch Reproduktionstechnologien auch die sinnstiftende Ideologie von Heterosexualität unterwandert, denn es braucht kein Mutter-Vater-Kind Konzept mehr, um Familie leben zu können. Vielleicht wird das egg freezing deshalb so kontrovers diskutiert, weil es den Finger auf diese Wunde legt: Dass wir mit der Ambivalenz zwischen Freiheit und Zwang leben müssen.

Von der Autorin ist gerade das Buch »Die Uhr, die nicht tickt. Kinderlos glücklich« im Arche Literatur Verlag erschienen.