Der französische rechte Antisemit Alain Soral will eine eigene Partei gründen

Ein Antisemit sieht rot

Der antisemitische französische Schriftsteller Alain Soral ist erbost über die Haltung des Front National zu Israel. Nun möchte er eine eigene Partei gründen.

Ein früherer politischer Weggefährte, dem Alain Soral mittlerweile nur noch Böses will, nannte diesen vor kurzem den »Ron Hubbard des Antisemitismus«. Den Vergleich mit dem Gründer der Scientology-Sekte stellte er an, weil Soral sich gerne als Guru und Sektenführer aufspielt und weil dessen Anhänger die Videos, in denen Soral diverse Welterklärungsversuche und Weltverschwörungstheorien liefert, förmlich aufsaugen. Zudem bietet der antisemitische Schriftsteller Soral neben kostenlos herunterladbaren Videos auch diverse Artikel zum Kauf im Internet an und versucht auf diese Weise, seinen Status als vermeintlich charismatischer Anführer in bare Münze umzuwandeln. An die Geschäftstüchtigkeit der Scientology-Kirche kommt Soral zwar nicht heran, aber auch er handelt mit etlichen Dingen: von seinen eigenen Büchern über Intimgel bis zu Weinflaschen zum Stückpreis von 60 Euro.

Der Schriftsteller, mit dem viele Funktionäre der französischen extremen Rechten schon deswegen nicht mehr zusammenarbeiten möchten, weil er ein extremer Egomane ist und an permanenter Selbstüberschätzung leidet, versucht sich nun auch als Partei­gründer. Zusammen mit dem seit einem Jahrzehnt stark von ihm beeinflussten Komiker Dieudonné M’bala M’bala, dem sein Vor- als Künstlername dient und der in den vergangenen Jahren vor allem durch antisemitische Ausfälle allgemein bekannt wurde, plant er den Aufbau einer politischen Organisation. Deren Satzung ist noch nicht bei den Behörden hinterlegt worden, was für eine Zulassung als eingetragene politische Partei erforderlich ist. Doch ihr Name steht bereits fest: Die Partei soll Réconciliation nationale heißen, also »Nationale Versöhnung«.
Die künftige Parteizentrale soll dort angesiedelt werden, wo auch Sorals eingetragener Verein Egalité et Réconcialiation (E&R, Gleichheit und Aussöhnung) bereits seinen Sitz hat, in einem Gebäude in Saint-Denis bei Paris. Auch die Vereinigung Kontre Kulture (Gegenkultur) ist dort ansässig, die Bücher, T-Shirts und Aufkleber herausgibt. Der angeschlossene Verlag Éditions Kontre Kulture veröffentlichte unter anderem fünf Bücher, deren Verbreitung im Herbst 2013 gerichtlich verboten wurde. Dabei handelte es sich ausschließlich um Klassiker der antisemitischen Literatur, die der Generation der derzeit Heranwachsenden bis dahin nur wenigen vertraut gewesen sein dürften. Unter ihnen etwa »La France juive« (»Das jüdische Frankreich«) von Edouard Drumont, das in den achtziger und neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts ein Beststeller war, und das erstmals 1920 veröffentlichte Buch »The International Jew« aus der Feder des US-Industriellen Henry Ford, das starken Einfluss auf den jungen Adolf Hitler ausübte.
In jüngerer Vergangenheit arbeitete Soral mal in größerer Verbundenheit, mal mit größerer Distanz mit dem Front National (FN) oder zumindest mit Fraktionen der Partei zusammen. Doch dann veröffentlichte Aymeric Chauprade, seit Mai Vorsitzender der 23köpfigen Abgeordnetengruppe des FN im Europaparlament, im August ein Strategiepapier. Chauprade hatte in den vergangenen Monaten vor allem als Vorkämpfer für eine Annäherung an das russische Regime Wladimir Putins auf sich aufmerksam gemacht und früher mitunter ähnliche politische Ansichten wie Soral geäußert, beide haben ihre Gegnerschaft zur »Neuen Weltordnung« bekundet. Doch in seinem Papier vom Hochsommer plädierte Chauprade für eine strategische Annäherung an die israelische Rechte als Hüter eines Vorpostens im »Kampf der Zivilisationen« und als Verbündeten im Kampf gegen einen gemeinsamen Hauptfeind, den »sunnitischen islamischen Fundamentalismus«. Israel und Russland seien dabei strategische Bündnispartner. Chauprade versuchte, den gesamten FN, der in dieser Frage seit Jahren zerstritten ist, auf diese Politik einzuschwören.

Im engeren Parteivorstand erhielt er dabei Unterstützung von Jean-Marie Le Pen, was überraschte, weil der ehemalige Vorsitzende seine pro­israelische Phase – die 1956 mit der Suezexpedition gegen Ägypten und dem Algerienkrieg begann, da Israel Frankreich in seinen Kolonialkriegen unterstützte – in den späten achtziger Jahren beendet hatte. Hingegen distanzierte sich die Parteivorsitzende Marine Le Pen in der Öffentlichkeit von einigen Formulierungen, vor allem weil ihr die Aufforderung Chauprades, aus Frankreich nach Syrien oder in den Irak gereiste Jihadisten »an Ort und Stelle zu liquidieren, um ihre Rückkehr unmöglich zu machen«, ein wenig zu weit ging.
In der Frage des Israel-Palästina-Konflikts gibt es auf der Führungsebene des FN drei größere Fraktionen. Eine sucht die Nähe zur israelischen Rechten. Zu den glühendsten Verfechtern dieses Ansatzes zählt Louis Aliot, der nicht nur Vizepräsident des FN, sondern auch der Lebensgefährte der Parteivorsitzenden ist. Andere Protagonisten setzen hingegen auf eine Art Äquidistanz, wie etwa der 32jährige Florian Philippot. Der in der Partei häufig als Technokrat kritisierte, eher nationalkonservativ auftretende Philippot versucht, sich in eine gaullistische Tradition zu stellen, und lässt in seinem politischen Vorgehen keine antisemitischen Motive erkennen. So kritisierte er den nationalistischen Fernsehjournalisten Eric Zemmour jüngst scharf für seinen Versuch, das Vichy-Regime zu rehabilitieren, weil es angeblich »die französischen Juden gerettet« habe, indem es »die ausländischen Juden opferte«. Philippot antwortete: »An Vichy gibt es nichts zu retten, nichts. Das wirkliche Frankreich war in London«, also bei General de Gaulle, »und bei den Résistance-Kämpfern, die ihrerseits tatsächlich Juden retteten«.
Die dritte Fraktion besteht mehr oder minder aus glühenden Antisemiten. Einige von ihnen sammelten sich früher um Jean-Marie Le Pen und unterstützten in den Jahren 2010 und 2011, als innerparteilich um seine Nachfolge gestritten wurde, den erfolglosen Herausforderer seiner Tochter, den nationalkatholischen und gegenüber den extremsten Strömungen seines Lagers ausdrücklich offenen Juraprofessor und Europaabgeordneten Bruno Gollnisch. Nach dessen Niederlage gegen Marine Le Pen und nach dem Parteiaustritt von Gollnischs Wahlkampfleiter Yvan Benedetti – er wurde Anfang 2012 Vorsitzender der faschistischen Splitterpartei L’Oeuvre française – ist dieser Block jedoch mehrheitlich über die anderen innerparteilichen Lager verstreut worden.

Aber es war das Strategiepapier Aymeric Chauprades, der den antisemitischen Autor Soral in Rage versetzte. Anfang September verbreitete er eine Videobotschaft im Internet, in deren Verlauf er Chauprade dreimal als »Hurensohn« bezeichnet und dessen »Verrat« anprangert. Das viereinhalbminütige Video endet mit Drohungen – »Du hast nicht zum letzten Mal mit mir zu tun gehabt« –, Chauprades Ehefrau erhielt Drohanrufe. Der »Geopolitiker« und Europaabgeordnete des FN nahm die Drohungen so ernst, dass er zur kurz darauf stattfindenden »Sommeruniversität« der Parteijugend in Fréjus in Begleitung mehrerer Leibwächter auftauchte.
Soral verkündet in demselben Video ebenfalls, »definitiv Abschied vom FN« zu nehmen. Seine Anhänger rief er dazu auf, »gegen diese Partei zu stimmen«. Nun steht als nächster Schritt seine Parteigründung an.