Dauerwürste

Vielerlei Möglichkeiten gibt es, seinen alten Adam zu Grabe zu tragen, wenn er den Geist aufgegeben hat: Man kann sich beerdigen, verfeuern, einfrieren, kremieren und eincremen lassen, man kann sich in einen Friedwald legen oder gar zu einem Diamanten zusammengeschmolzen werden. Nichts jedoch strahlt die unvergleichliche Würde jenes Grabsteins aus, der auf dem Gottesacker in München-Bogenhausen steht: das Familiengrab der Weigmanns. Dort »ruhen in Gott«: »unsere theure unvergeßliche Gattin & Mutter Creszentia Weigmann, Metzgermeistersgattin«, »gest. d. 2. September 1894 im 42. Lebensjahr. Ihr folgte unser innigstgeliebter Sohn u. Bruder Mathias Weigmann«. Doch damit nicht genug: »Ihnen folgte unser unvergeßlicher teurer Vater Herr Franz Xaver Weigmann, Privatier«, sodann »die tugendreiche Jungfrau Creszentia Bockhorni, Metzgermeisterstochter«, »Maria Weigmann, Metzgermeistersgattin«, noch ein »Franz Xaver Weigmann, Metzgermeister«, und noch eine halbes Dutzend so tugend- wie adjektivreicher, immer aber »unvergeßlicher« Metzgermeistersgattinnen, -töchter, -schwippcousinen und dergleichen mehr.
Und wenn man etwas länger dort am Grabe steht und über die Verderblichkeit alles Fleischlichen nachdenkt, ist es fast so, als zöge ein Geruch wie von Schweinsbraten über den Friedhof, und in Gedanken ersteht noch einmal die alte Metzgersherrlichkeit, die goldenen Schlachtersalons der Gründerzeit. Und wie bitter die Ironie: Das Fleisch der anderen konnten sie für die Ewigkeit erhalten, in Dauerwürste bannen, das eigene jedoch, das verfiel – der unfassbar angeberische Grabstein ist dafür nur schwacher Trost. Dennoch: Wenn ich dereinst sterbe, soll auf meinem Kreuz »Leo Fischer, tugendreiche Metzgermeistersgattin« stehen. Eine schönere Ewigkeit ist nicht vorstellbar.