Debatte über Pressefreiheit in Israel

Meinung frei Haus

In Israel diskutiert man über die Pressefreiheit. Welcher politische Einfluss soll der Gratiszeitung eines US-amerikanischen Unternehmers zugestanden werden?

Selbst im streitbaren israelischen Parlament kommt es nicht oft vor, dass ein amtierender Minister davor warnt, sein Land könne bald Nordkorea als Vorbild dienen. Ausgesprochen hatte die Warnung der rechte Likud-Abgeordnete und Minister für internationale Angelegenheiten und Geheimdienste, Yuval Steinitz. Der Anlass für seine harschen Worte war eine erste Abstimmung im israelischen Parlament über das »Gesetz zur Förderung und zum Schutz des Textjournalismus in Israel« am vorvergangenen Mittwoch.
Das Gesetz wird in der Öffentlichkeit auch »Israel-Hayom-Gesetz« genannt, weil es ausschließlich die gleichnamige Zeitung treffen würde. Doch Steinitz’ Worte stießen in der Knesset nicht bei allen auf Zustimmung. Insgesamt 43 Abgeordnete stimmten für das Gesetz, lediglich 23 dagegen. Damit wird das Gesetz an die zuständige Kommission weitergeleitet, die darüber bestimmt, welcher Ausschuss für die weitere Bearbeitung zuständig ist.
Auf den ersten Blick mutet die Warnung von Steinitz überzogen an. Heißt es doch in dem vorliegenden Entwurf ausdrücklich, dass durch das Gesetz der Printjournalismus in Zeiten finanzieller Probleme gestärkt und ein fairer Wettbewerb ermöglicht werden soll. Denn der israelische Zeitungsmarkt befindet sich im Umbruch. Die traditionsreichen Blätter wie Maariv oder Yedioth Ahronot verlieren Leser, nicht zuletzt an die 2007 gegründete kostenlose Zeitung Israel Hayom. Letztere hat vor vier Jahren die bis dato größte Tageszeitung, Yedioth Ahronot, hinsichtlich ihres Marktanteils überholt und baut diesen seitdem stetig aus. Gegenwärtig liegt Israel Hayom mit 39,8 Prozent vor Yedioth Ahronot, die nur noch auf 34,5 Prozent kommt. Diesen hohen Verbreitungsgrad hat Israel Hayom vor allem, weil sie kostenlos verteilt wird.
Die Zeitung gehört dem rechten amerikanischen Kasino-Mogul und Milliardär Sheldon Adelson, der jährlich zweistellige Millionenbeträge in die Zeitung investiert und streng darauf achtet, dass Ministerpräsident Benjamin Netanyahu gut wegkommt. Dies stößt in Israel seit geraumer Zeit auf Kritik und führte letztlich zur Ausarbeitung des nun in der Knesset debattierten Gesetzes. Darin wird zwar Adelsons Zeitung nicht namentlich genannt. Doch es geht um eine Reglementierung von kostenlosen Zeitungen, die »sechs Tage pro Woche erscheinen und an Wochentagen mindestens 30 Seiten und an Wochenenden 100 Seiten umfassen«, wie es im Gesetzestext heißt. Dies trifft auf genau eine Zeitung in Israel zu: Israel Hayom.
Obwohl in Israel viele Stimmen laut werden, die vor einem massiven Eingriff in die Presse- und Meinungsfreiheit warnen, geht es zunächst einmal nicht um ein Verbot der Zeitung. Das betroffene Medium müsste laut Gesetzentwurf zukünftig aber einen Preis erheben, der nicht unter 70 Prozent des Preises der Zeitung mit dem niedrigsten Preis und der größten Verbreitung liegt. Israel Hayom müsste somit nicht das Erscheinen einstellen, wäre aber keine kostenlose Zeitung mehr und würde deshalb vermutlich einen großen Teil der Leserschaft einbüßen. Dieser Eingriff in den Pressemarkt zuungunsten einer einzigen Zeitung wäre für ein westliches Land in der Tat einmalig.
Eingebracht hat das Gesetz Eitan Cabel, Abgeordneter der linken Arbeitspartei, zusammen mit Abegordneten der sephardisch-religiösen Shas-Partei, der rechten Partei Yisrael Beitenu, der nationalistisch-zionistischen Habayit Hayahudi, der zentristischen Hatnua und schließlich der liberalen Partei Yesh Atid. Bis auf die größte Partei in der Knesset, den Likud, waren somit alle Regierungsparteien an dem Gesetz beteiligt. Eine so breite, lagerübergreifende Zusammenarbeit gab es in der notorisch zerstrittenen Knesset schon lange nicht mehr.
Der Knessetabgeordnete Cabel macht im Gespräch mit der Jungle World auch keinen Hehl daraus, dass es ihm mit seinem Gesetz genau um eine Zeitung geht: »Israel Hayom unterscheidet sich von anderen Zeitungen grundlegend. Sie wurde als Propagandawerkzeug eines einzelnen Politikers gegründet: Ministerpräsident Benjamin Netanyahu.« Allerdings möchte Cabel durch das Gesetz nicht die Pressefreiheit einschränken, sondern gerade die Vielfalt der Medien schützen. »Das Parlament hat keine andere Wahl, als hier einzuschreiten, sonst würde Israel in ein paar Jahren ein Land mit einer einzigen Tageszeitung und einer einzigen Meinung sein: der des ausländischen Milliardärs Adelson«, betont Cabel.
Ganz anders sieht das Eli Pollak von der Organisation »Israel Media Watch«, die die Medien kritisch begleitet. Seiner Meinung nach ist das Gesetz vollkommen unangebracht: »Sollte das in der gegenwärtigen Form umgesetzt werden, würde es einige der Grundsätze der Demokratie wie Berufsfreiheit sowie Meinungs- und Redefreiheit untergraben.« Die Intention des Gesetzes sei parteipolitisch. Nicht zufällig befürworteten Politiker der Opposition sowie Mitglieder der Regierung, die mit dem Kurs des Ministerpräsidenten unzufrieden seien, das Gesetz. Diese störten sich an der politischen Ausrichtung von Israel Hayom und sähen in einem Gesetz, dass die Verbreitung der Zeitung erheblich einschränken würde, die Möglichkeit, auch die eigenen politischen Ziele zu verwirklichen, erläutert Pollak.
Zwei Mitstreiter von Netanyahu mit Ambitionen auf dessen Posten, Außenminister Avigdor Lieberman und Wirtschaftsminister Naftali Bennett, haben Israel Hayom in der Vergangenheit mit dem sowjetischen Staatsblatt Prawda verglichen. Bennett ist vor allem erbost darüber, dass sein Hausblatt Makor Rischon, eine religiös-nationale Zeitung, in diesem Jahr von Adelson aufgekauft wurde. Liebermans Abneigung gegen Israel Hayom rührt zum einen aus dem vergangenen Jahr, als die Zeitung im Rahmen der Bürgermeisterwahlen in Jerusalem Nir Barkat und nicht Liebermans Freund Moshe Leon unterstützte, zum anderen gibt es zwischen Lieberman und Netanyahu schon lange Spannungen. Schließlich ist da noch Justizministerin Tzipi Livni von der Partei Hatnua, die seit vielen Jahren sehr enge Verbindung zu Yedioth Achronot unterhält. Keiner dieser Unterstützer handelt also um der Pressefreiheit willen.
Am Ende scheint es jedoch fraglich, ob der Gesetzentwurf wirklich ein Gesetz wird. Zwar sagte der Initiator Einat Cabel der Jungle World, er sei bereits mit dem Erreichten zufrieden. Die meisten Experten hätten nicht geglaubt, dass der Entwurf es überhaupt so weit schaffen würde, so Cabel. Aber nach der ersten Lesung in der Knesset geht der Entwurf jetzt erst einmal in eine Kommission. Das kann dauern, und das Ergebnis steht nicht fest. In einer Umfrage direkt nach der Abstimmung hatten sich 77 Prozent der Israelis gegen das Gesetz ausgesprochen. Auch der israelische Generalstaatsanwalt Yehuda Weinstein hat bereits verkündet, dass er nicht von einer Übereinstimmung des Gesetzes mit den israelischen Grundgesetzen überzeugt sei. Von so viel öffentlich geäußertem Widerspruch gegen ein Gesetz kann man in Nordkorea nur träumen.